Trotz unübersehbarer Verbotsschilder wird in der Plochinger Fußgängerzone weiter Rad gefahren. Zunächst setzt die Stadt aber auf eine Aktionswoche statt auf Bußgelder.
Am Fischbrunnen hängen beidseitig große Fahrrad-Verbotsschilder, an der oberen Einfahrt der Marktstraße ebenfalls, und in der Unterführung Richtung Waldhorn sind entsprechende Symbole auf dem Boden nicht zu übersehen. Trotzdem: Geradelt wird in der Fußgängerzone weiterhin. Uwe Bürk als Leiter des Ordnungsamtes sprach im Ausschuss für Bauen, Technik und Umwelt sogar von einem „gewissen Gewöhnungseffekt“ an die Beschilderung. Der kommunale Vollzugsdienst, der zum Ordnungsamt gehört, könne dagegen praktisch nichts tun. Denn solange die Radelnden im Sattel sitzen, sind sie Teil des fließenden Verkehrs – und für diesen ist die Polizei zuständig. Wenn die städtischen Mitarbeiter die Leute anhalten würden, gelte das als Eingriff in den fließenden Verkehr und sei folglich unzulässig.
Die Stadt stattet die Ordnungshüter mit Trillerpfeifen aus
Tatsache ist, dass diejenigen, die die Schilder ignorieren, sich oft ziemlich unbeeindruckt von der Präsenz der Ordnungshüter zeigen. Daran werden vermutlich auch die Trillerpfeifen nichts ändern, mit denen die Stadt nun ihre Mitarbeiter ausstattet. In Fahrradschranken sieht man ebenfalls keine Lösung, sie kämen höchstens für die Unterführung infrage. Aber diese Engstellen behindern auch alle, die mit Rollstuhl oder Kinderwagen unterwegs sind. Mit einem Zwillingswagen habe man keine Chance, da durchzukommen, berichtete Dagmar Bluthardt (SPD) aus eigener Erfahrung.
Was also tun? Man müsse sich Gedanken über Kontrollen und Bußgelder machen, meinte Klaus Müller (Bürgerliste). Einen ähnlichen Antrag hatte bereits die Unabhängige Liste Plochingen (ULP) in den zurückliegenden Haushaltsplanberatungen eingebracht. Die Stadt will aber zunächst mit der Aktionswoche „Rücksicht macht alle Wege sicher“ an die Einsicht appellieren und „für ein respektvolles und umsichtiges Miteinander sensibilisieren“. In diesem Rahmen sind verschiedene Aktionen geplant. Kontrollen und Bußgelder kämen dann im zweiten Schritt infrage, sagt Bürk.
Wie gehen andere Städte vor? Die Stadt Kirchheim hat auf den Hauptachsen des Fußgängerbereichs innerhalb des Alleenrings ein Radfahrverbot ausgewiesen. Diese beschränkt sich auf den Zeitraum zwischen 9 und 19 Uhr. In dieser Zeit wird auch kontrolliert und teils kostenpflichtig verwarnt. Gleichzeitig sind parallele Alternativstrecken im verkehrsberuhigten Bereich ausgewiesen und beschildert. Die ebenfalls verkehrsberuhigte Dettinger Straße ist sogar eine beliebte Fahrradachse, das dort installierte „Fahrradbarometer“ zählt im Schnitt deutlich über 1000 Fahrräder täglich. Man denke aber darüber nach, ob man nicht auch an dieser Stelle eine parallele, attraktive Route für Radelnde schaffen könne, sagt Thomas Ernst, der Mobilitätsbeauftragte der Stadt. Er betont, dass man erprobe, was funktioniert, wobei die Regeln angepasst und nachjustiert werden könnten. Die Stadt arbeite eng mit der lokalen Fahrradinitiative zusammen. „Wir wollen ja die aktive Mobilität, also das Radeln und Zufußgehen, fördern“, sagt Ernst.
In Esslingen haben Radfahrer, wenn sie sich ans Schritttempo halten, freie Bahn: Hier ist das Radeln in den Fußgängerzonen grundsätzlich erlaubt, mit Ausnahme der Inneren Brücke, wo man aus Sicherheitsgründen – wegen der Mauerhöhe – schieben soll. Pliensau, Küferstraße oder auch die Bahnhofstraße sind dagegen freigegeben, lediglich während Veranstaltungen oder wenn der Wochenmarkt in der Bahnhofstraße stattfindet, müssen Radler vorübergehend absteigen.
Einige „Ausreißer“ sind das Problem
Schrittgeschwindigkeit und Rücksicht auf Fußgänger sind im verkehrsberuhigten Bereich grundsätzlich vorgegeben. Wenn das eingehalten würde, könnte man auch in Plochingen damit leben – das Problem sind die „Ausreißer“. Dabei spielt vermutlich auch die Steigung in der Marktstraße eine Rolle, denn wer von oben kommt, hat leicht etwas mehr Tempo. Das Plochinger Radfahrverbot wurde 2021 auf Antrag des Stadtseniorenrates eingeführt. Trotzdem hat sich vor zwei Jahren ein Unfall ereignet, bei dem eine Seniorin in der Unterführung stürzte und sich verletzte, weil zwei junge Radler zu nah an ihr vorbeifuhren.
Andererseits fehlen in Plochingen attraktive Alternativstrecken zur Marktstraße. Und wer Radfahren liebt, der schiebt entgegen einer bekannten Redewendung eben ganz und gar nicht gern. Wie gelingt der Spagat zwischen der Förderung umweltfreundlicher Mobilität und dem Schutz von Schwächeren, insbesondere älteren Menschen? An Diskussionsstoff wird es bei der Plochinger Aktionswoche nicht mangeln.
Fahrzeuge und Fußgängerzonen
E-Scooter
Elektroroller sind in der Fußgängerzone tabu, sofern sie nicht durch ein Schild explizit erlaubt werden. Die „Elektrokleinstfahrzeuge“ bewegen sich ohne Muskelkraft fort und gelten deshalb als Kraftfahrzeuge, was auch am Nummernschild zu erkennen ist. Sie dürfen deshalb grundsätzlich und ohne weiteren Hinweis nicht auf Gehwegen oder in Fußgängerzonen genutzt werden.
Aktionswoche
Die Plochinger Aktionswoche „Rücksicht macht alle Wege sicher“ findet vom 17. bis 23. Mai in der Marktstraße statt. Zum Auftakt ist nach einer Begrüßung durch Bürgermeister Frank Buß eine kleine „Fußgänger-Demo“ vom Fischbrunnen zum Marktplatz geplant, zu der auch Menschen mit Einschränkungen eingeladen sind. Die Stadt macht außerdem mit Plakaten und einem Info-Film im Plochinger Kino auf ihr Anliegen aufmerksam. Von Montag bis Donnerstag ist ein Info-Stand bei der Plochingen-Info aufgebaut, an dem Öffentlichkeitsreferent Michael Mikolajczak mit Passanten spricht und Meinungen zum Thema Radeln und Rücksichtnahme in der Marktstraße sammeln will. Auch eine offene Diskussionsrunde ist geplant, außerdem soll die Zahl der Radelnden vor und nach der Aktionswoche erfasst werden.