Auf dem Feldweg an der Landstraße zwischen Ruit und Nellingen wird es eng, wenn sich die Radler begegnen. Foto: Roberto Bulgrin

In der Infrastruktur für Radfahrer in Ostfildern sehen Kritiker viele Defizite. „Sicherheitsrisiken machen das Verkehrsmittel unattraktiv“, sagt Thomas Rumpf vom ADFC.

Für Radfahrer sieht Thomas Rumpf in Ostfildern viele Hindernisse. „Bei der Stadtplanung wird zu wenig an uns Radler gedacht“, findet der Vorsitzende des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC). Deshalb hatten er und viele andere Radler seines Ortsverbands darauf gehofft, dass der Radschnellweg Filder zügig vorankommt. Vorerst sind die Pläne aber ausgebremst. Um diese Strecke weiter zu planen, gibt es keine Fördermittel. Dass Rumpf mit seiner Kritik am Radwegenetz in der Großen Kreisstadt nicht alleine ist, zeigt der aktuelle Klimatest.

 

Bei diesem Test werden deutschlandweit Radfahrende gebeten, die Infrastruktur in ihrem Umfeld zu bewerten. Ostfildern hat sich gegenüber der letzten Umfrage mit 3,9 leicht verschlechtert (2022: 3,7) – dabei reicht die Skala von sehr gut (1) bis ungenügend (6). „Wenn Radeln Stress bedeutet, setzen die Leute perspektivisch doch wieder aufs Auto“, sagt Rumpf. Er wünsche sich, dass Radfahrer bei der Stadtplanung öfter gefragt werden, moniert er zudem. Bei der Radweg-Baustelle in der Breslauer Straße etwa habe man nicht an die Radler gedacht: „Man muss absteigen.“ Um die Verkehrsteilnehmer miteinander ins Gespräch zu bringen, hat die Stadt mittlerweile einen Runden Tisch zur Mobilität ins Leben gerufen.

Bei einer Rad-Rundfahrt durch die Stadtteile zeigt Rumpf Schwachstellen auf. Dass die Stadt Ostfildern in ihren Klimaschutzzielen wie auch im Mobilitätskonzept das Ziel formuliert hat, mehr Menschen zum Umstieg aufs Rad zu bewegen, findet er grundsätzlich gut. Allerdings wünscht sich der Chef der Ostfilderner ADFC-Gruppe, „dass den Plänen noch öfter konkrete Projekte folgen“. Der Radweg in der Breslauer Straße sei da ein guter Anfang. Allerdings wünschen sich die Radler, dass die Verbindung bis ins Neckartal fortgeführt wird. „Die Strecke war lange mein Weg zur Arbeit“, sagt der ehemalige Berufspendler. Er sieht die Sicherheit der Radler an manchen Stellen gefährdet.

Experte sieht Gefahrenstellen für radelnde Schüler

Die Plochinger Straße in Ruit könnte zur Fahrradstraße werden. Foto: Roberto Bulgrin

„Wir können die Menschen nur zum Umstieg aufs Rad bewegen, wenn wir sichere Verbindungen schaffen“, sagt Thomas Rumpf. Das gilt aus seiner Sicht besonders für die Radwegeverbindungen, die von Schülerinnen und Schülern genutzt werden. Da denkt er an den Feldweg entlang der Landesstraße zwischen Ruit und Nellingen. Viele Schüler aus Ruit und der Parksiedlung radeln auf dieser Route zum Schulcampus. Gerade bei regennasser Fahrbahn sieht Rumpf dort Gefahrenpotenziale. „Wenn sich Radler entgegen kommen, wird es da ganz schön eng“, sagt Rumpf. Zudem merkt der ADFC-Vorsitzende an, dass viele Familien Lastenräder und Anhänger für Kinder nutzen. Dem müsse die Rad-Infrastruktur Rechnung tragen, sagt Rumpf: „Radler brauchen Platz.“

Nicht ideal sind demnach auch die engen Radwege zwischen der Parksiedlung, dem Zinsholz und Ruit. An den Straßenquerungen hat die Stadt jetzt rote Markierungen angebracht, die den Weg für Radler erleichtern sollen. „Ein wichtiger Schritt“, findet Rumpf. Aber für Radfahrende, die aus Nellingen kommend die Esslinger Straße überqueren, gebe es keine angemessene Durchfahrt in Richtung Schulcampus. Sie müssten sich durch die Engstelle an der Paulinenstraße schlängeln oder absteigen. Da muss aus Rumpfs Sicht dringend nachgebessert werden. „Ich verstehe die Eltern, die ihr Kind dann aus Sicherheitsgründen doch lieber zur Schule fahren.“

Stadt Ostfildern plant Testläufe für Fahrradstraßen

Damit mehr Menschen auf das umweltfreundliche Verkehrsmittel umsteigen, „müssen wir alles tun, um das Sicherheitsgefühl zu verbessern.“ Schwere Unfälle mit Pedelecs und Rädern tragen aus Rumpfs Sicht zu einem negativen Image des Verkehrsmittels bei. Zum Beispiel nennt er ein tödlicher Unfall eines Radfahrers auf einem Feldweg im Rossert im Stadtteil Ruit. Im Juli 2023 war der Mann gegen einen vorfahrtsberechtigten Pick-up gefahren, den er offenbar nicht gesehen hatte. „Solche Gefahrenstellen könnte man mit Spiegeln entschärfen“, ist Rumpf überzeugt. Auch wild wuchernde Hecken bergen aus seiner Sicht Gefahren. Da appelliert er an die Gartenbesitzer, sie regelmäßig zu schneiden.

Um die Infrastruktur für Radler zu verbessern, sieht Rumpf in Ostfildern einigen Nachholbedarf. Das beginnt für ihn bei den Ampeln, die nur mit dem Fußgänger-Symbol ausgestattet sind. „Für uns Radler bedeutet das Absteigen.“ Barrieren wie diese ließen sich aus seiner Sicht leicht aus dem Stadtraum beseitigen. Positiv findet er dagegen, dass die Stadt Ostfildern Testläufe für Fahrradstraßen in den Stadtteilen plant. Neben der Plochinger Straße in Ruit kommen dafür die Körschtalstraße in Scharnhausen sowie die Schwabstraße in Nellingen in Betracht. Carina Hornung, die in Ostfildern für die Stadtplanung zuständig ist, sagt: „Noch ist offen, wo und wann ein zeitlich begrenzter Testlauf stattfinden kann.“

Impulse für den Radverkehr

Lastenrad-Verleih
Der ADFC Ostfildern möchte mit den zwei Freien Lastenrädern Ostfildern (FLO) allen Interessierten die Möglichkeit geben, auszuprobieren, was man mit einem Lastenrad alles anfangen kann. Sie können kostenlos ausgeliehen werden. Der Radlerverband und die Stadtentwicklungsgesellschaft (SEG) finanzieren das Projekt gemeinsam. „Wenn die Initiative erfolgreich ist, können und wollen wir eine Flotte von Lastenrädern aufbauen, die an verschiedenen Punkten der Teilgemeinden von Ostfildern ausgeliehen werden können“, sagt Thomas Rumpf vom ADFC. Informationen im Internet: https://lastenrad-ostfildern.de/

Abstellmöglichkeiten
Pedelecs geben auch älteren Menschen die Möglichkeit, umweltfreundlich mobil zu bleiben. „Allerdings fehlen da in Ostfildern sichere Abstellmöglichkeiten“, sagt Rumpf. Das erschwere an vielen Stellen den Umstieg vom Rad auf die Stadtbahn. Bei den bestehenden Abstellmöglichkeiten in Gebäuden der Stadt, sieht Rumpf Defizite. Da nennt er zum Beispiel die Geflüchtetenunterkunft in der Maybachstraße. „Für Geflüchtete ist das Rad ein so wichtiges Fortbewegungsmittel.“ Da verwundere es, dass es so wenig Abstellmöglichkeiten gebe. Diese seien auch noch nicht einmal überdacht. „Dagegen stehen die Mülltonnen unter einem Dach.“