Von Stürzen gezeichnet: Stefan Schumacher im Trikot von CCC Sprandi Polkowice Foto: Roth

Er hat viel erlebt in seiner Karriere: große Siege, einen Dopingskandal, einen Strafprozess, sein Comeback. Bei Stefan Schumacher geht es ständig auf und ab. Und auch in dieser Saison läuft bei dem Nürtinger nicht alles rund.

Stuttgart - Es schmeichelt einem Radprofi immer, wenn er der prominenteste Starter eines Rennens ist. Das geht Stefan Schumacher nicht anders – auch wenn es sich nur um das Hohenheimer Schlossrennen handelt. „Ich bin dort Rekordsieger“, sagt der Gewinner von 2007, 2008 und 2012 vor der Neuauflage des Kriteriums an diesem Sonntag (14.30 Uhr), „ich nehme das Rennen schon richtig ernst.“ Doch wirklich wichtig sind ihm andere Dinge.

Der Giro d’Italia zum Beispiel. CCC Sprandi Polkowice, das Team des Nürtingers, war dabei. Stefan Schumacher nicht. Eine offizielle Begründung kennt er nicht. Nur Gerüchte. Angeblich haben die Verantwortlichen der Italien-Rundfahrt die Vergabe des Tickets für den polnischen Rennstall an die Bedingung geknüpft, dass Stefan Schumacher und Davide Rebellin zu Hause gelassen werden. Beide fuhren 2008 für das Herrenberger Gerolsteiner-Team, als sie mit der Epo-Variante Cera erwischt wurden, beide haben ihre Sperren längst abgesessen. Wie etliche andere Profis, die beim Giro dabei waren. Einer von ihnen gewann die Rundfahrt sogar: Alberto Contador. Wird in Italien mit zweierlei Maß gemessen? Gibt es unerwünschte Fahrer? Dafür würde Stefan Schumacher jegliches Verständnis fehlen. Er sagt aber auch: „So ist eben das Geschäft.“ Oder anders ausgedrückt: Im Leben eines Radprofis geht es auf und ab. Ständig.

Keiner weiß das besser als Stefan Schumacher. Er gewann Etappen beim Giro und der Tour de France, fuhr in Rosa und Gelb, ehe er als Doper überführt wurde. Er gestand gerade noch rechtzeitig, bevor in Stuttgart ein spektakulärer Betrugs-prozess gegen ihn begann. Er gewann, doch wie ein Sieger fühlte er sich nicht. Und bis heute ist der 33-Jährige noch nicht wieder richtig angekommen im Peloton. „Obwohl ich Doping gestanden habe, gibt es von den Kollegen viel Zuspruch“, sagt er, „aber ich bin sechs Jahre lang nicht auf Weltniveau gefahren. Mir fehlt die Rennhärte, ich stand seither nicht mehr topfit am Start.“

Das ist die sportliche Seite. Es gibt aber auch noch die andere – die mit der Vergangenheit zu tun hat. Als Schumacher vor dieser Saison einen Vertrag bei CCC Sprandi unterschrieb, einem Team der zweiten Kategorie, war er total zufrieden. Weil sich das Rennprogramm vielversprechend anhörte. Weil er einen stattlichen fünfstelligen Betrag als Jahresgehalt überwiesen bekommt, das er durch Prämien noch aufstocken kann. Und weil er nun wieder zusammen mit seinem Freund Davide Rebellin unterwegs ist. Das ist der italienische Top-Profi, dessen damaliger Arzt im Verdacht stand, Schumacher während der gemeinsamen Zeit bei Gerolsteiner mit Cera versorgt zu haben.

Der Nürtinger kann nicht verhindern, dass diese Schicksalsgemeinschaft mit Skepsis betrachtet wird. Er kann nur sagen, dass er jetzt anders handelt als früher. „Ich will mich nicht so darstellen, als wäre aus dem Saulus ein Paulus geworden“, erklärt er, „aber Radsport heißt für mich heute, die eigenen Grenzen auf saubere Art und Weise auszuloten. Und ich setze mir realistische Ziele. Das kann nicht in jedem Rennen der Sieg sein, aber man kann auch als sauberer Fahrer etwas reißen. Und mich für das Team nützlich machen, das kann ich allemal.“

Ob alles genau so ist, wie er es sagt, das weiß nur Schumacher selbst. Aber seine Worte unterstreichen: Es kommt auf die Haltung an. Im Leben. Im Sport. Und auch auf dem Rad. Im Februar, bei der Ruta del Sol, war der Routinier in einen schlimmen Massensturz verwickelt. Er brach sich das Hakenbein in der rechten Handwurzel, musste operiert werden. Zehn Tage lang konnte er nicht mal auf der Rolle trainieren, bestritt aber drei Wochen später die erstklassig besetzte Katalonien-Rundfahrt – unter großen Schmerzen, weshalb er nicht wie gewohnt auf dem Rad saß. Die Fehlhaltung führte zu neuen Problemen. Schumacher fuhr gehemmt und oft weit hinten im Feld, prompt folgte beim Amstel-Gold-Race, das seit dem Sieg 2007 sein Lieblings-Klassiker ist, der nächste Sturz. Eine Abwärtsspirale, die dem Nürtinger auch psychisch zusetzte. „Es ging in dieser Saison nicht wie erhofft“, meint er, „zuletzt habe ich deshalb ein bisschen meine Coolness verloren. Dabei müsste ich nach 14 Jahren als Profi doch eigentlich wissen, dass noch genügend Chancen kommen.“

Beim Hohenheimer Schlossrennen, aber vor allem danach. Stefan Schumacher fährt die Tour de Suisse, die deutsche Meisterschaft, die Rundfahrten in Österreich und Polen. „Wenn es gut läuft“, sagt er, „kann es noch eine tolle Saison werden.“