In Stetten haben Downhiller einen illegalen Trail angelegt. Das Landratsamt hat nun Schilder aufgehängt, die auf die Illegalität hinweisen. Dagegen wurde demonstriert. Foto: Eileen Breuer

Aus Mangel an Alternativen bahnen sich Mountainbiker in Stuttgart immer wieder auch illegale Wege durch den Wald. Polizei und Stadt gehen aktuell dagegen vor. Die Downhiller sehen sich zu Unrecht an den Pranger gestellt.

Degerloch/Stuttgart - In rasantem Tempo auf zwei Rädern den Berg hinuntersausen und Hindernisse überwinden: Insbesondere während des Lockdowns flüchteten viele aus den Wohnungen in die Natur, zum Beispiel, um dem Sport „Downhill“ nachzugehen. Enge Kurven und Schanzen gilt es beim offiziellen Woodpecker-Trail zu überwinden, der von Degerloch nach Stuttgart-Süd führt.

Doch nicht nur auf der legalen Strecke frönen Mountainbiker ihrem Hobby. Mit ihren Zweirädern bahnen sie sich auch Wege abseits der offiziellen Pfade über Stock und Stein. Wo genau solche illegalen Trails zu finden sind, darüber möchte sich Ilona Bonn, Sprecherin der Polizei Stuttgart, nicht näher äußern, aber sie sagt: „Überall, wo Waldgebiete mit Gefälle anzufinden sind, findet so etwas statt“, zum Beispiel sei das bei Degerloch der Fall. Das ist allerdings verboten, denn Radfahren ist laut dem Landeswaldgesetz ausschließlich auf Wegen mit mehr als zwei Metern Breite erlaubt. Alles andere bedarf einer Ausnahmeregelung. Und die liegt für die illegalen Trails im Stadtgebiet nicht vor.

Dieses Bußgeld droht

Die Polizei hat derzeit diese illegalen Strecken im Visier. Sie zu bauen und zu nutzen, sind nämlich Ordnungswidrigkeiten. Wer die illegalen Trails befährt, dem droht ein Bußgeld von bis zu 40 Euro. Teurer wird es für diejenigen, die am Bau von zum Beispiel Schanzen beteiligt sind. Dann werden bis zu 255 Euro Strafe fällig.

Doch nicht immer bleibt es bei solchen Sanktionen gegen die Nutzer. Im Wald bei Stetten (Leinfelden-Echterdingen) zum Beispiel beobachtete der Spaziergänger Franz Hüttemeister, dass sogar Bagger angerollt waren: „Alles, was dort gebaut worden war, wurde dem Erdboden gleichgemacht.“ Dieses Vorgehen findet er nicht nur unverhältnismäßig gegenüber den Jugendlichen, die dort im Wald ihrem Hobby nachgehen. Er beobachtete auch, dass der Bagger eine Schneise hinterließ: „Verwüstet wurde durch den Bagger, nicht durch die Trails“, sagt der Rentner aus Echterdingen.

Mit Baggern kommt die Stadt nicht

Dass Bagger anrollen, ist im Stadtwald der Landeshauptstadt Stuttgart nicht vorgesehen, so Matthias Holzmann. Er leitet die Abteilung Forsten und Service-Betriebe beim Garten-, Friedhofs- und Forstamt der Stadt Stuttgart: „Was wir als Stadt machen, ist, illegal errichtete Bauwerke auf MTB-Trails im Wald händisch abzubauen.“ Zum Beispiel würden die Mitarbeiter Schanzen, die unter Zuhilfenahme von Baumstämmen oder anderer Materialien gebaut wurden, entfernen. Diese Maßnahmen seien notwendig, um Wald und Besucher zu schützen.

„Aufgrund des noch nie so dagewesenen Freizeitdrucks durch die Corona-Krise müssen wir versuchen, das Erlebnis für jeden angenehm zu gestalten.“ Wie Flussdeltas verzweigte Trails würden einerseits dazu führen, dass Pflanzen und Tiere Schaden nehmen. Andererseits könnten Mountainbiker von den illegalen Trails die Kreuzungen mit Wanderwegen nicht überblicken. Das habe eine erhöhte Unfallgefahr für Radfahrer und Fußgänger zur Folge.

Radler fühlen sich kriminalisiert

Das Problem: Der Woodpecker-Trail von Degerloch nach Stuttgart-Süd ist die einzige legale Downhill-Abfahrt in der Landeshauptstadt. Bis vor fünf Jahren habe es gar keine Möglichkeit gegeben, den Sport vor Ort legal auszuüben, erklärt Jannick Henzler von der Arbeitsgemeinschaft Downhill. Dabei sei Downhill ein anerkannter Sport: „Wir sind keine illegalen Raser, wie wir immer kriminalisiert werden“, sagt Henzler. Am Samstag haben sich Mountainbiker in der Innenstadt getroffen, um gegen das Vorgehen der Stadtverwaltung zu demonstrieren.

Die Auslastung der legalen Strecke ist inzwischen enorm: „Selbst wenn alle ein Interesse daran hätten, nur den Woodpecker zu fahren, wäre die Frequentierung so hoch, dass die Strecke leidet“, sagt Henzler. Deshalb suchen sich Downhiller Alternativen– und die bestünden, wenn man den Sport vor Ort ausüben wolle, nur in illegalen Trails. Außerdem würde der Woodpecker-Trail nicht alle Bedürfnisse erfüllen, so Henzler: „Es ist eine gebaute, künstliche und keine naturbelassene Strecke, die man nach dem Feierabend mal mitnehmen könnte.“

Der Waldbeirat in Stuttgart soll vermitteln

Trotz der Bemühungen von Seiten der Downhiller und Mountainbiker hat sich in den vergangenen Jahren wenig getan bei diesem Konflikt: Stuttgart sei weit davon entfernt, ein Wegenetz zu errichten, das jeden anspreche: „Ich bin darüber verärgert, dass Symptome der Versäumnisse der Stadt so hart bestraft werden und enttäuscht, weil die Stadt gemeinsam mit den Mountainbikern eine Lösung finden könnte.“ Sanktionieren, bevor Lösungen auf dem Tisch liegen, hält Henzler für das falsche Zeichen: „Es ist das Signal, dass Mountainbiker kriminalisiert werden.“

Holzmann dagegen verteidigt das Vorgehen der Stadt: Über den Stuttgarter Waldbeirat, ein beratendes Gremium des Gemeinderats, stehe man in engem Austausch mit Mountainbikern und anderen Interessengruppen. Um den Konflikten im Wald zu begegnen, werde die Stadt in Zusammenarbeit mit dem Stuttgarter Waldbeirat einen externen Gutachter beauftragen, um ein Freizeitkonzept für den Wald in Stuttgart zu erstellen. Das Vergabeverfahren läuft im Moment. Bis dahin aber bleibt den Mountainbikern keine andere Wahl, als die einzige legale Downhillstrecke in Stuttgart zu nutzen.