Annika Bischoff (l.) möchte dieses Jahr unbedingt ihre stärkste Konkurrentin schlagen und Viola Brand will sich endlich den Weltmeistertitel holen. Foto: Stoppel

Die eine ist Vizeweltmeisterin auf dem Kunstrad, die andere Doppeleuropameisterin auf dem Einrad: Viola Brand und Annika Bischoff gehören in ihren Metiers zu den Besten Deutschlands – und wohnen im selben Dorf. Auch sonst gibt es einiges, das die beiden Radsportlerinnen verbindet.

Schorndorf - Sie gehören zu den Besten Deutschlands: die Kunstradfahrerin Viola Brand ist im Herbst gerade Vizeweltmeisterin geworden, Einradfahrerin Annika Bischoff im Sommer Doppeleuropameisterin in der Einzel- und Paarkür. Beide wohnen in dem Schorndorfer Teilort Miedelsbach – und auch sonst gibt es die ein oder andere Parallele.

So haben beide Sportlerinnen den Zugang zum Rad in gewisser Weise ihren Geschwistern zu verdanken. „Meine Brüder haben mit dem Kunstrad angefangen und ich bin als Kind immer mit“, erzählt die 23-jährige Viola Brand, die für den RSV Unterweissach startet, im gemeinsamen Gespräch. Und auch die 16-jährige Annika Bischoff hat mit ihrer Schwester das Einradfahren auf der Straße geübt – bis Mutter Desiree für ihre und andere interessierte Kinder eine Einrad-Abteilung beim TSV Miedelsbach gegründet hat. „Das ist zwölf Jahre her, damals waren wir weit und breit die einzigen“, erzählt Desiree Bischoff, die ihre Tochter bis heute trainiert – so wie auch Viola Brand ihre Mutter Heike als Trainerin an der Seite hat. Übrigens: ihre älteren Geschwister haben beide Sportlerinnen in puncto Erfolg mittlerweile hinter sich gelassen.

Für unser Video haben wir die beiden beim Training besucht:

Die zwei jungen Frauen trainieren bis zu fünfmal in der Woche – neben Schule und Studium bleibt beiden kaum Zeit für anderes. „Das ist mein Leben“, sagt Viola Brand und Annika Bischoff kann nur nicken. Warum sie überhaupt dabei geblieben sind? Viola Brand schätzt die Vielseitigkeit des Kunstradfahrens: „Es wird nie langweilig: Ich brauche Kraft, Ausdauer, Körperspannung, Mut und Geduld – es ist einfach eine tolle Sportart“, sagt sie, die an der Uni Hohenheim Ernährungsmanagement und Diätetik studiert.

Sieben Jahre Training für den Handstand auf dem Lenker

Geduld ist vor allem bei den schwierigen Übungen gefragt: Viola Brand hat rund sieben Jahre lang trainiert, um einen Handstand auf dem Lenker zu schaffen. Bereits Jahre braucht es, mit den Händen auf zwei Klötzen auf dem Boden zu stehen – und dann geht es erst mit dem Training auf dem Rad los. „Dabei bin ich am Tag vor dem Abiball mit dem Gesicht auf dem Boden gelandet“, erzählt Viola Brand.

Diese Berichte lassen Annika Bischoff staunen. Jahrelang an einer Übung zu feilen, das kennt die Elftklässlerin nicht: „Manche Tricks liegen einem mehr, manche weniger, aber ich bin meist relativ schnell im Lernen“, erzählt die Schülerin, die sich auf die Einrad-Disziplin Freestyle spezialisiert hat und daran vor allem die Vielzahl an Tricks mag: „Dann sehe ich auf Meisterschaften wieder etwas Neues und will das unbedingt auch können“, beschreibt sie ihre Motivation.

Als Freestylerin muss Bischoff ein stimmiges Gesamtpaket liefern

Bei ihren Küren gilt es, ein Gesamtpaket abzuliefern: Kostüm, Musik, Mimik sollen aufeinander abgestimmt sein, die Tricks müssen zum Taktschlag passen und ideal kombiniert sein. Mal tritt sie als Rockabilly auf, mal ist die Route 66 das Oberthema. Sie hüpft, sie lässt den Sattel des Einrads nach vorne oder hinten fallen, sie turnt von einem Pedal auf’s andere.

Während sich die Jury von ihr als Freestylerin davon überraschen lässt, welche Übungen sie zeigt, muss Viola Brand ihre Küren bereits im Vorfeld einreichen. „Meine Höchstpunktzahl steht bereits fest und es geht dann nur noch darum, wie viel mir für Fehler abgezogen wird“, berichtet sie, die schon viermal bei Weltmeisterschaften angetreten ist. Abzüge gibt es schon bei kleinen Wacklern – oder wenn etwa die Hände nicht ordentlich gestreckt sind.

Das Ziel: die starke Konkurrenz endlich schlagen

Es ist beeindruckend anzuschauen, wenn Viola Brand Pirouetten fährt oder auf dem Sattel balanciert. „Mein Traum ist es, mir irgendwann den Titel zu holen“, erzählt sie, die bei der WM im Herbst die höchste Punktzahl gefahren ist, die jemals bei Frauen erreicht wurde. „Aber die andere war noch einen Tick besser.“

Für die Weltmeisterschaften hat sich auch Annika Bischoff qualifiziert: „Aber diese finden in Südkorea statt und wir haben uns in der Familie geeinigt, dass wir aus politischen Gründen nicht hingehen möchten“, erzählt Desiree Bischoff. Das kommende Wettkampfjahr wird für Annika Bischoff trotzdem nicht einfach werden: „Ich muss jetzt in der obersten Altersklasse starten“, erzählt sie. Ein großes Ziel hat sie aber dennoch: „Es gibt eine sehr starke Fahrerin aus Bayern, die alle Titel holt und perfekt fährt. Sie will ich schlagen.“

Mehr Punkte mit dem Mautesprung

Viola Brand will dagegen ihr Punktzahl weiter nach oben treiben – und arbeitet dafür am so genannten Mautesprung, bei dem der Kunstradfahrer vom Sattel auf den Lenker springt. „Das ist eine sehr verletzungsanfällige Übung, weil man sie schlecht kontrollieren kann“, erzählt sie, die tatsächlich im vorvergangenen Jahr drei Monate pausieren musste, weil sie sich beim Trainieren des Sprungs verletzt hatte. Auch Annika Bischoff hat gerade eine längere Trainingspause hinter sich: Sie musste am Knie operiert werden. Größere Verletzungen sind der Einradfahrerin aber bisher erspart geblieben.

Weh getan hat sich auch Viola Brand bei einem der wenigen Versuche auf dem Einrad – das war in einer Zirkus-AG im Grundschulalter: „Damals wollte ich gleich eine Treppe runterfahren und das war keine gute Idee“, sagt sie und lacht.