Platz für Radfahrer ist vielerorts noch Mangelware. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Peter Pipiorke, der Vorsitzende der Naturfreunde Radgruppe Stuttgart, fordert mehr Mut beim Ausbau des Streckennetzes für die Pedaleure. Wer mehr Radverkehr wolle, müsse auch bereit sein, den Autofahrern etwas wegzunehmen, sagt er.

Filder - Frühling liegt in der Luft, und mehr Menschen schwingen sich wieder in den Sattel. Das erklärte Ziel von Stuttgarter Gemeinderat und Verwaltung ist es, die Stadt fahrradfreundlicher zu machen. Der sogenannte Radfahranteil soll sich von derzeit etwa sieben Prozent auf 20 Prozent erhöhen. Das heißt, dass die Menschen mittel- bis langfristig 20 Prozent ihrer Wege mit dem Drahtesel erledigen sollen. Ein Mittel dazu ist der Bau und Ausbau sogenannter Radschnellwege. Mit diesem Thema befasst sich Peter Pipiorke im aktuellen Kettenblatt, dem Infoblatt der Naturfreunde Radgruppe Stuttgart – und er übt scharfe Kritik an der Radverkehrspolitik.

2017 habe das Thema Fahrt aufgenommen, mit dem Bau des Radschnellwegs von Sindelfingen entlang der sogenannten Panzerstraße nach Rohr. Dies sei „aufgrund der vorhandenen Strecke in ausreichender Breite wenig problembehaftet“ gewesen, wie Pipiorke schreibt. Die Straße habe einem radtauglichen Belag bekommen und sei mit einer ökologischen Beleuchtung versehen worden, „und fertig war das erste Stück Radschnellweg“. Doch schon die Fortführung von der Rohrer Höhe in die Innenstadt mache die Problematik deutlich. Ab hier gebe es für die Pedaleure allenfalls ein rudimentäres Netz, das zumeist noch nicht einmal den vorgegebenen Mindestbreiten und Mindestabständen entspreche. „Für Autos steht selbstverständlich ein breit ausgebautes Straßennetz zu Verfügung. Den Radlern wird jedoch kein flächendeckendes, sicheres Radnetz der kurzen Wege zugestanden. Radfahrer werden in die Rolle der Bittsteller gedrängt. Wenn Radwege, dann bitte ohne Wegfall von Parkplätzen oder gar unter Aufopferung einer Fahrspur“, schreibt Pipiorke.

Wenn etwas wachsen soll, muss etwas anderes schrumpfen

In der Tat hatte eine Machbarkeitsstudie zu möglichen Radschnellverbindungen in Stuttgart im vergangenen Jahr zu einem Sturm der Entrüstung geführt. Der Radweg von Sindelfingen kommend könnte als Fahrradstraße über die Waldburgstraße geführt werden, war darin zu lesen. Anwohner fühlten sich vor vollendete Tatsachen gestellt, beklagten den Wegfall von Parkplätzen und dass Autos sowie Linienbusse von langsam bergauf Radelnden ausgebremst werden könnten. Ein geplanter Radschnellweg entlang der Nord-Süd-Straße sorgte für Empörung bei den Firmen im Synergiepark. Jüngst geriet ein Radschnellweg vom Eiermann-Campus Richtung Vaihinger Mitte in den Fokus. Auch ihm würden Parkplätze zum Opfer fallen.

Für Peter Pipiorke ist das nur logisch und reine Mathematik. Wenn ein Kuchen 100 Prozent symbolisiere und das Radverkehrsstück von sieben Prozent auf 20 Prozent wachsen solle, dann werde der Rest des Kuchen nun mal kleiner. „Irgendwo muss man also was wegnehmen“, sagt Pipiorke. Er ärgert sich darüber, dass die Radwege derzeit in aller Regel „den Fußgängern aufs Auge gedrückt werden“. So seien Konflikte programmiert. Pipiorke fordert eine Umverteilung der Verkehrsflächen.

Warum der Radschnellweg in Kaltental nicht ideal ist

In Kaltental gibt es bereits einen Radschnellweg, und zwar entlang der Böblinger Straße von Vaihingen runter nach Heslach. Doch auch in diesem Fall sei zu wenig gewagt worden, findet Pipiorke: „Es fehlen die Visionen“, sagt er. Im Kettenblatt schreibt er dazu: „Wieso benötigen wir heute noch bei einem bereits guten ÖPNV-Netz ehemalige Einflugschneisen aus der Region nach Stuttgart aus der Zeit der autogerechten Stadt? Könnten Straßen wie die Böblinger Straße in Kaltental nicht so umgebaut werden, dass auf der einen Seite der Straßenbahngleise der Autoverkehr abgewickelt wird (je Richtung eine Fahrspur) und auf der anderen Seite der Radverkehr?“

Um ihren Forderungen Gehör zu verschaffen, „stehen wir der Politik ständig auf den Füßen“, sagt Pipiorke. Die Naturfreunde Radgruppe Stuttgart ist Mitglied im gemeinderätlichen Unterausschuss Mobilität und in verschiedenen anderen Gremien. Pipiorke sagt: „Nicht kleckern, sondern klotzen ist angesichts des Klimawandels und der Umweltschäden in Folge falscher Verkehrspolitik angesagt!“