Die Verkehrsfläche der Hohenstaufenstraße wird neu aufgeteilt. Foto: /Wesely

Auf der Hohenstaufenstraße wird eine Radspur angelegt für die Hauptradroute zwischen Stuttgart-Süd und Stuttgart-West. Außerdem werden Bäume gepflanzt und der Gehweg verbreitet. Das alles kostet Parkplätze.

S-Süd - Die Hohenstaufenstraße soll im nächsten Jahr einen neuen Belag und einen Radweg bekommen. Sie ist aber zu schmal, um Bussen, Radfahrern, Fußgängern, Parkplätzen und Bäumen ausreichend Platz zu bieten. Der Bezirksbeirat Süd hat in seiner jüngsten Sitzung hart um eine Lösung für dieses Problem gerungen und diese gefunden: im Kompromiss vom Kompromiss. Es war ein emotionaler Prozess und zugleich ein Lehrstück demokratischer Entscheidungsfindung.

Die Straße ist zu schmal

Die Decke ist zu kurz. Bezirksbeirat Reinhard Kühn hat mal ausgerechnet, um wie viel: Damit alle Verkehrsteilnehmer zu ihrem Recht kommen, müsste die Straße 18 Meter breit sein. Nun ist die Hohenstaufenstraße aber nur 14,2 Meter breit, also müssen Abstriche gemacht werden. Bloß, wo? In der vorvergangenen Sitzung des Bezirksbeirats hatte die Verwaltung zwei Möglichkeiten vorgeschlagen, die beide mehrheitlich nicht gefielen. Bei der einen Variante wären alle 97 Parkplätze wegfallen, bei der zweiten die meisten. Das sei den Anwohnern nicht zuzumuten, die überdies – ein weiterer Kritikpunkt – gar nicht über die Planungen informiert worden seien.

Die ersten Vorschläge alle abgelehnt

Zur Sitzung am Dienstagabend erschienen Rainer Wallisch und Carolin Spiesberger vom Amt für Stadtplanung und Wohnen erneut, dieses Mal, um eine überarbeitete und eine weitere Variante vorzustellen. Doch auch für diese zeichnete sich keine Einigung ab – im Gegenteil. Weil jede einen Kompromiss darstellte und keine eine vollauf befriedigende Lösung bieten konnte, beharrten nun CDU, FDP und Freie Wähler umso mehr darauf, den Status quo zu erhalten: „So wie es ist, ist es nicht optimal. Aber alle vorgeschlagenen Veränderungen stellen eine Verschlechterung dar“, resümierte CDU-Rat Roland Petri. Die Grünen als stärkste Fraktion votierten für Variante 1: Zwei Meter Radfahrstreifen, 6,5 Meter Fahrbahn, sodass zwei Busse gut aneinander vorbei kommen, verbreiterte Gehwege, Baumpflanzungen und Wegfall sämtlicher Parkplätze. „Wir wissen, das bedeutet eine große Umstellung für die Anwohner“, so Philipp Buchholz von den Grünen, der bedauerte, dass die Verwaltung die Anwohner mit ihren Plänen „überrumpelt“ habe. SPD und Stadtisten wünschten eine nochmalige Überarbeitung der Vorschläge. Eine abstimmungsmäßige Pattsituation zeichnete sich ab, bei der gar keine Entscheidung herausgekommen wäre. Und auch die Anwohner boten kein einheitliches Stimmungsbild. Waren einige Bezirksbeiräte offenbar davon ausgegangen, dass die Anwohner „ihre“ Parkplätze mit Zähnen und Klauen verteidigen würden, so wurden sie durch deren Wortmeldungen in der Sitzung eines Anderen belehrt: „Viele von uns halten es für wünschenswert, dass sich unsere Stadt mit Blick auf den Klimaschutz verändert. Wir wollen, dass unsere Kinder mit dem Rad zur Schule fahren können. Das geht momentan in der Hohenstaufenstraße nicht“, so eine Anwohnerin. Eine Nachbarin argumentierte, dass sie wegen ihrer eingeschränkten Gehfähigkeit auf einen Parkplatz angewiesen sei. Sie beharre aber nicht darauf, dass alle Stellflächen erhalten bleiben: „Ich bin auch dafür, dass Bäume gepflanzt werden und wir klimafreundlicher werden.“

Kommt ein Rettungsring geflogen

Es war SPD-Rat Kühn, der den Rettungsring in die Runde warf. Er schlug die Kombination zweier Kompromisslösungen vor: Und dafür fand sich nach hitziger Debatte in der Abstimmung eine überraschend kräftige Mehrheit: Im unteren Teil der Straße nahe Marienplatz soll bis auf Höhe der Brauerei Dinkelacker die Variante 3 zum Zug kommen. Das bedeutet, es wird ein mit 1,80 Meter etwas schmälerer Radweg angelegt, die Fahrbahn wird 6,2 Meter breit, die Fußwege bleiben wie sie sind, gut die Hälfte der Parkplätze fällt weg, und für Bäume ist kein Platz. Im oberen Teil der Straße hingegen entfallen die Stellplätze ganz, sodass Platz ist für einen breiteren Radstreifen, breitere Gehwege, Bäume und eine Fahrbahnbreite von 6,5 Metern, auf der zwei Busse problemlos aneinander vorbei kommen.

Harte Fronten wichen auf

Beinahe genauso interessant wie die Lösung selbst, war der Weg dorthin. Die Fronten schienen hart, die Situation verfahren. Hier stand die Forderung, den Ist-Zustand zu erhalten, dort der Appell ans Klimagewissen. Yvonne Sauter von „Die Fraktion“ zeigte sich empört darüber, dass in Anbetracht des Klimawandels für den Erhalt von Parkplätzen gekämpft wird. „Die wirklichen Blockierer sitzen in den Bezirksbeiräten und unseren Nachbarschaften“, echauffierte sie sich und trat damit eine emotionale Debatte los, die allerdings Herzen und Gedanken bewegte. Auch Sauter stimmte am Schluss für den Kompromiss vom Kompromiss – ebenso wie die meisten der Status-quo-Befürworter.