Steffen Albrecht hat es geschafft. Nach 320 Kilometern war er im Ziel. Foto:  

Steffen Albrecht aus Ludwigsburg schenkt sich zum 60. Geburtstag den Start bei einem Extremrennen für Gravelbiker in den USA – 14 Stunden saß er im Sattel.

Insgesamt 200 Meilen nonstop radfahren, über Stock und Stein, fast ausschließlich auf geschotterten Wegen, 200 Meilen: das sind 320 Kilometer. Steffen Albrecht aus Ludwigsburg ist bei einem ziemlich verrückten Radrennen für Gravelbiker im US-Staat Kansas gestartet – und wohlbehalten ins Ziel gekommen.

 

Ohne Sturz, ohne Defekt und ohne Verletzungen. „Ich hätte nie gedacht, dass ich jemals so weit fahren kann“, sagt der Mann, der im Januar 60 Jahre alt geworden ist. Den Start bei dem Rennen Unbound Gravel in und um die Stadt Emporia herum hatte er sich zum runden Geburtstag geschenkt.

Wie ist der Schwabe auf diese Idee gekommen? Warum tut sich das einer an? 14 Stunden und 19 Minuten lang saß Steffen Albrecht auf seinem Bike. 14 Stunden – knapp zwei Arbeitstage. Nur zwei Zehn-Minuten-Pausen hat er sich gegönnt, kein Wunder: „Ich mache seit 50 Jahren Ausdauersport.“

Während dieser Stopps ließ er sich von seinen mit in die Staaten gereisten zwei erwachsenen Söhnen versorgen. Es gab am Vortag gekochtes Huhn mit Reis und Cola. Unterwegs hat der Sportler aus Schwaben permanent getrunken und Power-Riegel gefuttert.

Zum Glück kein Matsch

Hat alles bestens geklappt. „Wir hatten Glück mit dem Wetter.“ Bis zwei Tage vor dem Race hatte es viel geregnet, aber am großen Tag war’s weitgehend trocken. Andernfalls hätten sich die Wege stellenweise in den berüchtigten „Peanutbutter-Mud“ verwandelt. Davor hatten die Wiederholungstäter alle Neulingen gewarnt. Dieser Matsch hätte viele Abschnitte der Strecke unbefahrbar gemacht, die Radfahrer hätten ihre Bikes immer wieder Kilometer weit tragen müssen, „wir hätten vermutlich viele Stunden länger gebraucht“.

Doch mit den dann doch tollen Bedingungen „war’s ein schneller Kurs“. Steffen Albrecht behauptet, er habe jeden Kilometer „genossen“, er schwärmt von der tollen Landschaft, erzählt von rund 5000 tollen Sportlern, die gestartet sind. Der Mann aus Ludwigsburg hat die Strecke mit 3300 Höhenmetern mit einer Schnittgeschwindigkeit von knapp 23 Kilometern pro Stunde bewältigt. Schlussendlich landete er in seiner Altersklasse auf Platz 24, in der goldenen Mitte. Ins Ziel kamen 48 Männer dieser Klasse M60-69.

Ein paar Tage nach dem Rennen sitzt ein gut erholter und gut gelaunter Steffen Albrecht daheim in seinem Garten in Ludwigsburg und erzählt, dass er ja eigentlich nie mehr bei einem Wettbewerb mit Zeitnahme habe starten wollen. Davon habe er seit Mitte der 1970er-Jahre nämlich mehr als genügend absolviert. Zunächst im Wasser, er war Leistungsschwimmer. Später hat Steffen Albrecht mit ein paar anderen Sportlern beim SV Ludwigsburg die Abteilung Triathlon gegründet. Es folgten viele Jahre mit Starts bei kürzeren und gaaanz langen Wettkämpfen. Einmal hat sich Albrecht sogar für den Ironman auf Hawaii qualifiziert.

Seit vielen Jahren also keine „richtigen“ Wettkämpfe mehr, aber immer wieder ist er lange Touren auf dem Bike gefahren, dazu gelegentlich ein bisschen schwimmen und joggen – so sah Steffen Albrechts Sportlerleben bis Kansas aus. Sport, sagt er, sei ein top Ausgleich für das Arbeitsleben. Er werde bis ins hohe Alter dran bleiben. Von dem Unbound Gravel, das früher Dirty Kanza hieß, hatte er schon öfter in diversen Rad-Zeitschriften gelesen. Irgendwann sei dann dieser Gedanke im Kopf gewesen: „Wie wäre es, wenn… wenn ich doch noch mal bei einem Wettbewerb mitmache?“ Den Startplatz (350 US Dollar) hat der Ludwigsburger im vorigen Herbst bei einer Lotterie gewonnen – also das Recht anzutreten hat er gewonnen, die Gebühr musste Albrecht freilich trotzdem bezahlen.

Tagesetappen in Mongolei

Und, war’s das jetzt mit Rennen inklusive Zeitnahme? Vermutlich nicht. Steffen Albrecht sagt, er werde sicherlich nicht noch mal in Emporia an den Start gehen. Aber er hat sich längst informiert: „In Europa gibt es ähnliche Veranstaltungen“. Zum Beispiel in Girona und in der Toskana. Zunächst indes ist ein Urlaub in der Mongolei geplant: Mountainbiken mit der Gattin – aber nur mit 40 bis 60 Kilometer langen Tagesetappen. Ganz gechillt.