Sarah Connor (38) hat mit „Herz Kraft Werke“ ihr zweites deutschsprachiges Album vorgelegt. Die Single „Vincent“ über einen schwulen Jungen geht ins Ohr und ins Herz. Manche Radiosender spielen das Lied allerdings nur zensiert ab. Die Sängerin reagiert verständnislos.

Berlin - Sarah Connors neues Lied „Vincent“ handelt von den Höhen und Tiefen der Liebe, von Schmerz und Verwirrung rund um das große Gefühl. Hauptprotagonist in Sarah Connors eingängigem Song, der sich musikalisch zwischen Soul, Gospel und Pop bewegt, ist ein Junge, der realisiert, dass er schwul ist. Im Video ist er dunkelhäutig. https://youtu.be/qkrrqTEH_zg

Das Lied mit Hit-Potenzial wird allerdings von einigen Sendern nur gekürzt gespielt, wie zuerst die „Bild“-Zeitung berichtete. Manche verbannen den Song sogar ganz aus dem Programm. Grund ist die erste Textzeile des Songs: „Vincent kriegt kein’ hoch, wenn er an Mädchen denkt“.

Familiensender spielt das Lied gar nicht

So strahlt etwa der Radiosender „Antenne Bayern“ „Vincent“ ohne den ersten Satz aus. Diese Zeile werde wie auch eine Wiederholung später in dem Stück herausgeschnitten, wird die „Antenne-Bayern“-Programmdirektorin Ina Tenz zitiert. „Wir finden den Song ganz großartig und unterstützen auch das Thema Toleranz.“ Aber es müsse nicht sein, dass Kleinkinder das im Radio hören.

Der Berliner Familiensender „Radio Teddy“ spielt das Lied der „Bild“ zufolge gar nicht. Hitradio „Antenne 1“ in Stuttgart sendet im Tagesprogramm eine entschärfte Version. Das Wort „hoch“ ist dort nicht zu hören, sondern mit einem Instrumental unterlegt. Es sei ein familienorientierter Sender, und so gerieten Eltern nicht unter Erklärungszwang. „Grundsätzlich finden wir, dass das das richtige Lied an der richtigen Stelle ist. Auch mit dem richtigen Inhalt“, teilte der Programmkoordinator Daniel Stupp laut „Spiegel Online“ mit.

Sarah Connor reagiert verständnislos

Sarah Connor (38) hat verständnislos auf die Ablehnung des Coming-out-Songs reagiert. In einem RTL-Interview sagte die Musikerin: „Wir tun ja immer so, als wäre es überall, als wäre es völlig in Ordnung, und dann bringt es ein Song auf den Punkt, und dann gibt’s plötzlich Ressentiments.“ Connor sieht in ihrem Song einen Gesprächsanstoß: „Ich finde, man sollte es als Chance ergreifen, darüber zu sprechen.“ Zum Hintergrund erklärte sie, dass es in ihrem Bekanntenkreis einen Jungen gebe, einen Freund ihrer Kinder, der sich im vergangenen Jahr geoutet habe.

Der bayerische Rundfunk findet das Lied toll und mutig

Sie habe den Song ihrer Plattenfirma und ihren Kindern vorgespielt. „Ehrlich gesagt gab es niemanden, der nicht am Ende des Songs verstanden hat, dass es um Liebe geht.“ Komplette Zustimmung für Connor und den Song kommt vom Bayerischen Rundfunk. „Vincent“ sei „musikalisch toll und textlich sehr mutig, und deswegen läuft er regelmäßig in Bayern 3“, erklärte „Bayern-3“-Programmchef Thomas Linke-Weiser laut „Spiegel Online“. „Wir haben bisher so gut wie keine Beschwerden unseres Publikums deswegen bekommen.“ Eher fänden es die Leute gut, dass sich eine Mainstreamkünstlerin wie Connor eines solchen Themas annehme.

Bei den RBB-Sendern „Antenne Brandenburg“ und „rbb 88.8“ gäbe es laut Musikchef Holger Lachmann keine Einschränkungen für den Connor-Song, berichtet „Spiegel Online“. Es habe nur wenige Hörereinwände gegeben, die sich aber vor allem auf das Coming-out des Protagonisten Vincent bezogen hätten. Lachmann findet den Song und das Thema „wahnsinnig wichtig“ – und musikalisch sei der Titel „ein Hammer“. Die WDR-Jugendwelle „1Live“ spielt den Song nicht. Das läge aber daran, dass er nicht in das Musikprofil von „1Live“ passe.

Connor möchte mit ihren Texten etwas ausdrücken

Sarah Connor hat in den vergangenen Jahren mit ihrem Fokus auf deutschsprachige Musik einen Imagewandel vollzogen. Galt sie vor einigen Jahren als leicht über-sexualisierte Protagonistin des seichten R’n’B-Pops, hat sie sich inzwischen zu einer Singer-Songwriterin entwickelt, die mit ihren Texten etwas ausdrücken will. In einem Interview mit „Spiegel Online“ erzählte sie kürzlich, man habe ihr früher immer gesagt: „Schreib bloß keine eigenen Songs. Du singst, du siehst gut aus. Du musst deine Songs nicht selbst schreiben. Whitney Houston macht das auch nicht.“

Früher fehlte der Sängerin die Tiefe

Sie habe die Figur, die sie damals dargestellt habe, zwar mitgeformt. „Aber die Schere zwischen der, die ich war, und der, die ich dargestellt habe, ging zum Schluss immer weiter auseinander.“ Sie habe damals nicht darüber nachgedacht, was es bedeutet, dass sie sich so sexualisiert präsentiert habe. „Ich hatte mit Anfang 20 einfach auch Lust an meiner Sexualität, an meinem Aussehen und der ganzen Anerkennung, die ich dafür bekomme habe. Aber mir fehlte die Tiefe.“ Heute schreibt sie ihre Lieder weitgehend selbst und achtet darauf, dass sie alles selbst bestimmen kann. „ Ich trage die volle Verantwortung.“