Eine Möglichkeit, Überholabstände zu messen: die von Studierenden der DHBW entwickelte „Kesselbox“ Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Radfahrer messen, wie eng sie von Autos überholt werden. Die Stuttgarter Stadtverwaltung will diese Daten nutzen – aber nicht nur.

Stuttgart - Nach der Veröffentlichung von Daten zu Überholabständen im Stuttgarter Straßenverkehr reagiert die Stadtverwaltung. Man werde das Gespräch mit den Machern der von unserer Zeitung für eine Freiwilligenaktion „Kesselbox“ sowie den Stuttgarter Entwicklern des nach ähnlichem Prinzip arbeitenden „Open Bike Sensor“ suchen, um gegebenenfalls selbst mit den Daten zu arbeiten, sagt die Leiterin der Verkehrsbehörde, Susanne Scherz.

Die Stadtverwaltung erkennt den Nutzen an, den solche im realen Verkehr gesammelten Daten für die Verkehrsplanung haben können. Es gebe derzeit „zahlreiche Planungsüberlegungen, die mit den Daten übereinandergelegt werden müssten“, sagt Susanne Scherz.

Was der ADFC sagt

Wir hatten die unlängst online veröffentlichten Daten der Stadtverwaltung sowie dem Radfahrclub ADFC vorgelegt. Aus Sicht des ADFC Stuttgart zeigen die Daten, dass Radfahrer nicht nur an einzelnen Stellen zu eng überholt werden, „sondern im ganzen Stadtgebiet“. Susanne Scherz verweist auf eine Sicherheitskampagne im vergangenen Jahr sowie „laufende Planungen“ – etwa die vorgeschlagene Pop-up-Radspur an der Kaltentaler Abfahrt. Dazu sei man etwa mit dem Bezirksbeirat im Austausch.

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Tobias Willerding vom ADFC fordert die Stadtverwaltung angesichts der teils sehr engen gemessenen Überholabstände auf, sofort zu handeln: „Das ist keine politische Frage, sondern eine der Verkehrssicherheit.“ Zudem müsse die Polizei „konsequent im gesamten Stadtgebiet kontrollieren und auch Bußgelder verhängen, um den Überholabstand durchzusetzen“. Das Innenministerium müsse die Polizei so ausstatten, dass sie den Überholabstand „an jeder beliebigen Stelle rechtssicher messen kann“.

Bewerbung bei Forschungsprojekt

Wie das geht, ist derzeit allerdings noch unklar. Auch deshalb habe sich die Stadt am Mittwoch um die Teilnahme bei einem Forschungsprojekt der Arbeitsgemeinschaft Fahrrad- und Fußgängerfreundlicher Kommunen beworben, berichtet Susanne Scherz. Dabei sollen nicht nur Überholabstände gemessen, sondern auch eine Methode gefunden werden, mit der man diese Messungen zuverlässig durchführen kann. Bereits vergangenes Jahr hatte die Straßenverkehrsbehörde bei der Hochschule Karlsruhe Abstandsmessungen an der Kaltentaler Abfahrt beauftragt – per Videoanalyse. Sie begrüße es, „dass derzeit verschiedene Messsysteme erprobt werden“, sagt Susanne Scherz.

Die Verwaltung bemüht sich also an mehreren Stellen um Daten zu Überholabständen im Stadtverkehr. Die von unserer Zeitung veröffentlichten Daten weisen an etlichen Stellen auf weiteren Handlungsbedarf hin – beispielsweise in den oftmals zugeparkten Tempo-30-Zonen, aber auch innerstädtischen Hauptstraßen: Die Datenbasis ist für Stuttgart so bislang einmalig – und wird sich absehbar noch verbreitern, etwa über den bereits benannten „Open Bike Sensor“. Er funktioniert technisch ganz ähnlich, und die damit erhobenen Daten sind prinzipiell mit denen der Kesselbox kompatibel. So wird das Netz der gemessenen Überholvorgänge noch dichter – und die Daten womöglich die Grundlage für mehr Sicherheit im Stuttgarter Radverkehr.