Die Stadt richtet auf der Theodor-Heuss-Straße und in der Holzgartenstraße neue provisorische Radfahrspuren ein. Foto: dpa/Arne Dedert

Weil wegen Corona deutlich weniger Autos, dafür viel mehr Radfahrer durch Stuttgart fahren, legt die Stadt nun zwei neue, provisorische Radwege in der Innenstadt an. Das bürgerliche Lager im Gemeinderat wirft der ökosozialen Mehrheit vor, unter dem Deckmantel der Krise den Ausbau des Radwegenetzes zu forcieren.

Stuttgart - Nutzen die Radwegebefürworter im Gemeinderat die Coronakrise für ihre Zwecke aus? Diesen Vorwurf hat die CDU-Fraktion am Dienstag im Technischen Ausschuss unterschwellig erhoben, der nach gut sechs Wochen erstmals wieder im Rathaus getagt hat – im Großen Sitzungssaal unter Einhaltung der Abstands- und Hygieneregeln.

Der Anlass für den verbalen Schlagabtausch zwischen den bürgerlichen Fraktionen und der ökosozialen Mehrheit im Ausschuss waren Pläne der Verwaltung, temporäre Radwege auf der Theodor-Heuss-Straße und der Holzgartenstraße einzurichten. Dafür würde auf beiden Straßen beidseitig jeweils eine Fahrspur für Autos wegfallen. Die neuen Radwege würden provisorisch mit Baken und Markierungen abgetrennt. Ein Grund dafür ist die durch die Coronakrise veränderte Verkehrslage, die zu einer deutlichen Reduzierung des Autoverkehrs sowie einer Zunahme des Radverkehrs in der Stadt geführt hat.

Freie Wähler halten das Thema Radwege in der Coronakrise für überschätzt

Genau dieses Argument war für die CDU ausschlaggebend, die Vorlage abzulehnen. „Wir sind Radwegen gegenüber nicht abgeneigt, aber man sollte so etwas nicht unter dem Deckmantel der Coronakrise durchziehen“, so der Fraktionschef Alexander Kotz. Solche Planungen müssten gründlich diskutiert, Vor- und Nachteile abgewogen werden. Kotz deutete an, dass manche Fraktionen offenbar das Infektionsschutzgesetz für ihre politischen Zwecke missbrauchen wollten. Die FDP sekundierte, und Freie-Wähler-Fraktionschef Jürgen Zeeb stöhnte in Richtung der ökosozialen Mehrheit: „Was habt ihr für Probleme?“ Die Wirtschaft gehe den Bach runter, das Thema Radwege werde dagegen viel zu hoch gehängt.

Die Grünen begrüßten hingegen die sogenannten „protected bike lanes“. Ihr Parteifreund, Umweltbürgermeister Peter Pätzold, verwies auf Beispiele aus Berlin, wo während der Coronakrise ebenfalls provisorische Radfahrstreifen angelegt wurden. Die Pläne für die Theodor-Heuss-Straße seien dem Rat schon vor einem Jahr vorgestellt worden, ohne auf großen Widerspruch zu stoßen. Das Linksbündnis hob hervor, die Provisorien hätten im Sinne eines „neuen Mobilitätsverhaltens“ eine hohe Symbolkraft. Auch die SPD lobte den Ansatz. Sie wünsche sich von der Verwaltung aber „noch mehr Mut, auch künftig solche Projekte anzugehen“, sagte Stadträtin Lucia Schanbacher. Der Ausschuss stimmte schließlich mehrheitlich für die Radfahrstreifen.