Von Mosbach aus kann man entlang der ehemaligen Bahntrasse radeln. Foto: dpa

Die ehemalige Bahntrasse von Mudau nach Mosbach im Odenwald ist zum Radeln ideal.

Mudau - Eine Dampflok auf dem Supermarkt-Parkplatz sieht einfach deplatziert aus. Es ist ein Anblick mit Symbolkraft: In einem offenen Schuppen ist die Lok praktisch ins letzte Eck gedrückt und auf Schienen gestellt, die direkt vor dem Puffer wieder enden. Wo sollen sie auch hin? Hinter dem Schuppen macht sich ein Kreisverkehr breit, davor parken Autos.

Nein, das Eisenbahn-Zeitalter ist vorüber in Mudau. Vor 40 Jahren fuhr der letzte Zug von Mosbach, also fast vom Neckarstrand, in diesen Höhenort im Odenwald. Nicht mal zu einer Museumsbahn reichte es mehr, so schnell rissen sich zum Beispiel die Straßenbauer manches Trassenstück unter den Nagel. Aber etwa 23 der rund 28 Streckenkilometer blieben erhalten und wurden zur Wanderbahn umfunktioniert, einem Wander- und vor allem Radweg. Die Mudau-Bahn gehört somit zu den wenigen baden-württembergischen Railtrails, wie man diese Strecken auch gern nennt.

Maximale Steigung von 25 Promille

Wenn man in Mosbach startet, liegen 300 Meter Höhenunterschied vor einem. Das ist weniger schlimm, als es klingt, weil die Bahn eine maximale Steigung von 25 Promille hat, also auf 40 Metern höchstens einen Meter Höhe gewinnt. Aber man kann sich Mudau auch in einem Bogen nähern und erst mal mit dem Zug nach Buchen fahren. Ein hübsches Fachwerkstädtchen.

Wenn man auf der Straße nach Hollerbach hinausradelt, merkt man schnell, wie abgeschieden die Gegend ist – und wie rau in der Topografie. Zahlreiche Täler zwingen zum ständigen Auf und Ab. Hollerbach liegt in einer Senke, nur wenige Häuser scharen sich um die Renaissance-Kirche. Fast noch wie vor 100 Jahren – man sieht es auf einem Bild, das auf einer Tafel reproduziert ist. Eines der Werke der Hollerbacher Malerkolonie. Eine Gruppe junger Künstler, die sich hier ab dem Jahr 1904 niederließen, hier jagten und malten.

Was für sie das Paradies war – die Weltenferne –, war für die Bewohner eine Plage. Für die Hollerbacher, aber auch für die Mudauer, wohin der Odenwald-Madonnen-Radweg führt. Mudau war eine der ärmsten Gemeinden in der als Badisch Sibirien verschrienen Gegend und die Not dort so groß, dass im Frühjahr 1847 der Seifensieder Adam Stoll Handzettel verteilte mit der Aufforderung, sich wegen der Hungersnot zum Plündern zusammenzuschließen. Die Regierung schickte das Militär, und wie so viele andere wanderte Adam Stoll aus.

Rennfahrer lassen es gerne laufen

Zur Strukturförderung, so würde man heute sagen, wurde in Mudau eine Strohflechtschule eröffnet, zwei Lehrerinnen leiteten über 300 Kinder an. Vor diesem Hintergrund kann man nachvollziehen, dass die Mudauer sich eine Besserung der sozialen Lage vom Anschluss an das Industriezeitalter erhofften. Und bekamen.

Am 31. Mai wurde die Bahn-Strecke nach Mosbach eröffnet. Vom Lokschuppen Mudau aus muss man erst die Landesstraße queren, dann ist man auf der Trasse. Sie ist nicht gerade breit. Aber sie ist so ins Gelände gelegt, dass ihr Damm immer das gleiche Gefälle hält und sie stetig sanft Richtung Neckar führt. Und weil Bahntrassen ja ziemlich übersichtlich sind, lassen es Rennradfahrer schon mal gerne laufen auf diesen Passagen. Manchmal aber muss man auch kräftig bergauf fahren. Denn gerade die Ortschaften sind oft über die alte Trasse gewachsen.

Immer wieder Ausblicke

Viel ist nicht mehr übrig geblieben von der Bahninfrastruktur. Die Bahnhöfe sind zu Privatwohnungen umgebaut. Mal steht noch ein Kilometerstein, manchmal hängt noch ein rostiges Schild am Rand. Der Radweg gestattet immer wieder Ausblicke, taucht dann wieder in die grünen Tunnel der Laubwälder ab und quert Bachschluchten auf mehreren Brücken.

Die letzte Brücke wurde der Bahn dann zum Verhängnis. Sie war über eine andere Bahnlinie gelegt. Als diese eine elektrische Oberleitung bekam, war die Brücke der Mudau-Bahn im Weg. Für die Bahn, der das Defizit, das sich in den autoseligen Wirtschaftswunderjahren angehäuft hatte, schon lange ein Ärgernis war, der willkommene Anlass, die Brücke abzureißen und die Mudau-Bahn stillzulegen. Das ist auch der Punkt, wo der Radweg sich von der ehemaligen Mudau-Bahn trennt. Ab hier folgt er der Elz und hat nichts mehr zu tun mit der alten Trasse.