Vor der Winterpause lässt die E-Bike-Runde aus Bad Boll es noch einmal so richtig krachen. Bernd Herrmann (vorne links) tüftelt die Touren aus. Foto: Ines Rudel

Spaß statt Stress, so lautet das Motto einer Gruppe von Radlern im Rentenalter im Kreis Göppingen. Sie suchen sportliche Herausforderungen – und die Geselligkeit.

Bad Boll - Sie stehen unter Strom. Schon in wenigen Minuten starten sie zu ihrer nächsten Ausfahrt. Da kann es schon einmal anstrengend werden, denn die Umgebung von Bad Boll ist bergig, zumindest wenn es in Richtung Alb geht. Doch für die Teilnehmer der Bad Boller E-Bike-Runde ist das überhaupt kein Problem. Zur Not hilft ihnen der elektronische Antrieb.

Immer donnerstags strampelt sich die Gruppe ab

Unterschätzen sollte man diese Truppe nicht, auch wenn ihre Mitglieder meistens schon graue Schöpfe haben und bei denen hin und wieder eine graue Strähne unterm Helm hervorlugt.

Denn alle, egal ob Frauen oder Männer, haben den Ehrgeiz, bei den donnerstäglichen Radtouren mit möglichst wenig Strom zu fahren und sich tüchtig abzustrampeln – nicht zuletzt der Gesundheit zuliebe. Und weil Bernd Herrmann einmal Sportlehrer war und es deshalb besonders genau nimmt, verordnet er nach längeren Anstiegen schon auch mal eine Pulskontrolle. So viel Gesundheitscheck muss schon sein, findet er.

Stressfrei dank E-Bikes

„Mit den E-Bikes ist eine gemeinsame Tour viel stressfreier als mit normalen Fahrrädern, man ist eine heterogene Gruppe und kommt gleichmäßig vorwärts“, sagt Bernd Herrmann. Er hat Erfahrung mit diesem Thema. Denn früher hatte seine Frau Elaine immer Mühe, mit ihm mitzuhalten. Also wurde für sie ein E-Bike angeschafft, was an einem steilen Berg zu einem klassischen Rollentausch führte. Nun durfte Bernd Herrmann hinterherschauen, wenn seine Frau locker an ihm vorbeizog. „Ich hatte keine Chance mit meinem Trekking-Rad“, erzählt er. Das pfupferte ihn, und so leistete auch er sich ein E-Bike. Fortan war es kein Thema mehr, wer wen abhängt.

25 Kilometer Strecke in zwei Stunden stehen auf dem Programm

Das brachte Bernd Herrmann, mittlerweile 67 Jahre alt, auf die Idee, eine E-Bike-Runde für versierte E-Biker im Rentenalter ins Leben zu rufen. Vor anderthalb Jahren war das. Seither rollen an jedem Donnerstag zwischen 9.30 und 11.30 Uhr die Räder. „In diesen zwei Stunden legen wir durchschnittlich 25 Kilometer zurück, und es geht rauf und runter“, sagt Bernd Herrmann, der sich über die große Resonanz freut. „Bei schönem Wetter kommen bis zu 17 Leute.“ Zweimal im Jahr stehen längere Touren an. Erst vor ein paar Wochen sind die E-Biker zu der Brücke der Schnellbahntrasse über das obere Filstal geradelt, die bei Mühlhausen gebaut wird. „Auf dem Rückweg kehrten wir ins Deutsche Haus ein“, erzählt Bernd Herrmann.

Schon einige Minuten vor Beginn trudeln die ersten Biker am Treffpunkt vor der neuen Sporthalle an der Heinrich-Schickhardt-Schule ein. Elaine und Bernd Herrmann sind zu diesem Zeitpunkt schon da. Er hat einen Zettel dabei, auf dem er die verschiedensten E-Bike-Runden aufgelistet hat. Bevor er eine Tour anbietet, recherchiert er akribisch den Streckenverlauf und fährt sie selbst ab. Außerdem sucht er nach einem Schmankerl, einem Extra, wie er es nennt.

Von Damwild bis Museum

Diesmal hat er vor, das Damwildgehege zwischen Hattenhofen und Sparwiesen anzusteuern. „Da müssen wir mal wieder vorbeischauen, wir füttern die Tiere dann.“ Bei ihren Touren haben die E-Biker schon alles mögliche in der Umgebung erkundet: die Kugelmühle in Neidlingen oder die Weinberge auf der Limburg. Auch das Jüdische Museum in Jebenhausen haben sie besucht, genau wie eine Schnapsbrennerei in der Nähe.

Am Anfang sei die E-Bike-Runde von den Frauen dominiert gewesen, erzählt Elaine Herrmann (66). Jetzt sei der Männer- und Frauenanteil fifty-fifty. Die gebürtige Amerikanerin, die vor 44 Jahren ihrem Mann zuliebe nach Deutschland kam, findet es schön, dass bei diesen Touren sportlich Ambitionierte und Menschen, die einfach Gemeinschaft suchen, gemeinsam auf ihre Kosten kommen. Sie selbst zählt sich zu der Fraktion der „auf der Couch sitzenden, Buch lesenden Kaffeetrinker“. Trotzdem hat sie viel Spaß am gemeinsamen Radeln. „Da sind nette Leute, und es sind immer wieder andere Strecken“, erzählt sie.

Elektrisch nur, wenn es das Knie verlangt

Möglichst jedes Mal dabei ist auch eine 72-jährige Frau aus Bad Boll, die ungenannt bleiben will. Nach jeder Ausfahrt steige sie mit dem zufriedenen Gefühl ab, wieder etwas gemacht zu haben, erzählt sie. Rüdiger Kopper ist zu Jahresbeginn dazugestoßen. Der passionierte Radler schwingt sich täglich in den Sattel, doch die donnerstägliche Runde will er nicht mehr missen. Es sei jedes Mal eine Überraschung, wohin die Tour führe. Trotz der Gemeinschaft – auch auf dem E-Bike ist er nicht frei von sportlichem Ehrgeiz. „Ich mache das Elektrische nur rein, wenn es das Knie verlangt“, erklärt er. „Sonst fahre ich auf Leistung.“