In 4,70 Meter Höhe überspannt die Stahlbrücke die Panzerstraße auf 40 Metern Foto: jps

Eine neue Radbrücke in Böblingen überspannt auf 40 Metern die viel befahrene Panzerstraße. Sie ist die erste Radschnellwegbrücke im Land – und war umstritten.

Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) wählte das passendste Bild für die Einweihung der Radschnellwegbrücke über die Böblinger Panzerstraße. Der Landesminister sagte, Brücken seien „das beste Symbol einer guten Verkehrspolitik: Sie überwinden Kreuzungen so wie sie Konflikte überwinden.“

 

In der Tat war ihm schon kurz nach der Einweihung dieses Radschnellwegs RS1 zwischen Böblingen und Stuttgart-Rohr klar: „Hier wird’s gefährlich.“

Kosten schnellten in die Höhe

So flugs wie die Radfahrer von dem breit planierten Schnellweg hier ankommen, so abrupt endete bisher die Schnellfahrt. Die Panzerstraße mit ihren durchschnittlich 20 000 Fahrzeugen in Stoßzeiten zu überwinden, glich einem Spießrutenlauf. Insbesondere für Familien mit Kindern. Doch der Weg zu dem sanft geschwungenen Koloss aus Stahl und Asphalt war kein Spaziergang.

Bereits 2019 begannen daher die Planungen mit einer ersten Machbarkeitsstudie für eine Querungshilfe. Im Kreistag wurde zunächst eine Unterführung diskutiert, aber schnell verworfen: Zu dunkel, gefährlich und wenig einladend. Also musste es eine Brücke richten.

Deren Planung fiel allerdings mitten in den russischen Überfall der Ukraine, der die internationalen Stahlpreise nach oben schnellen ließ. So standen zwischenzeitlich Baukosten von über acht Millionen Euro im Raum – zu viel für die Kreiskasse und den autofahrenden Teil der Steuerzahler. Noch dazu mussten für den weit auskragenden Schwung des Stahlbauwerks Bäume auf Böblinger Markung gefällt werden. Ebenfalls unpopulär.

Als sich der Stahlmarkt wieder normalisiert und man die Leistungen erneut ausgeschrieben hatte, sanken die Baukosten auf erträglichere 5,8 Millionen Euro. Dafür gab es grünes Licht – das Land übernahm schließlich mit 3,8 Millionen den Löwenanteil der Kosten. Der politische Wille zu dieser Brücke war dem Minister anzumerken, dessen Radwegeausbau in Böblingen auf besonders fruchtbaren Boden fiel: „Der RS 1 trägt diesen Namen zu Recht: Kein Schnellweg im Land ist weiter ausgebaut, wenngleich 20 Radschnellwege in Planung sind.“ Seit dem Spatenstich am 26. Oktober 2023 dauerte es dann allerdings noch einmal länger als geplant, bis ein Eröffnungstermin für die Brücke stand.

Langer Weg vom Plan zur Brücke

Das Landratsamt begründete die Verzögerung mit den hohen Anforderungen an Material und Qualität. Exakt ein Jahr darauf immerhin konnte in einer spektakulären Aktion das Mittelstück des Bauwerks mit einem Kran eingehoben werden. Insgesamt verbauten die Ingenieure von Schlaich, Bergemann und Partner 240 Tonnen hochfesten Stahl in dem Bauwerk. Mit einer Hauptspannweite von 40 Metern überragt die Brücke nun sehr ansehnlich die viel befahrene Straße; insgesamt misst das Bauwerk 200 Meter Länge.

LED-Leuchten gegen Dunkelheit

Man habe das Gefälle der Panzerstraße klug ausgenutzt, sagte Landrat Roland Bernhard (parteilos). Diese falle Richtung Norden spürbar ab, die Brücke nutze dies aus. Mit maximal fünf Prozent Steigung soll sie für Radfahrer erträglich zu erklimmen – aber auch für Fußgänger und Rollstuhlfahrer geeignet sein. „Deshalb gibt es auf der Brücke keine Mittelstreifen“, merkte Minister Hermann an.

Auf dem gut fünf Meter breiten Überweg soll genug Platz sein für Begegnungen, ein Handlauf und ein 1,30 Meter hohes Edelstahlseilnetz machen die Querung sicher. Sensorgesteuerte LED-Leuchten erhellen den Weg bei Dunkelheit. Doch damit sollte es der technischen Finessen genug sein, sagte der Landrat. „Eine Bodenheizung wie in Tübingen brauchen wir nicht. Wir nehmen im Winter die Schippe in die Hand.“ Die von Boris Palmer in Tübingen vorangetriebene, beheizte 16-Millionen-Radbrücke am dortigen Neckarufer hatte bundesweit für Schlagzeilen und etwas Häme gesorgt, die man in Böblingen nicht unbedingt haben wollte.

Minister Hermann (3.v.l.) mit Landrat Bernhard (4.v.l.) und Böblinger OB Belz (2.v.l.) Foto: Eibner/Edward Cheung

Zehn Radachsen durch Böblingen

Nicht ohne Stolz zeigte sich auch der Böblinger Oberbürgermeister Stefan Belz. Er darf sich über die erste Radschnellwegbrücke des Landes freuen, ohne viel Geld aus der Stadtkasse dafür aufgewendet zu haben. „Die Brücke fügt sich gut in unser Konzept der zehn Radachsen, die Böblingen durchqueren.“ Auf der Hulb werde man wohl bald die erste Radschnellwegkreuzung sehen: Hier gibt es schon Pläne, eine Tangentiale von Renningen nach Holzgerlingen zu führen.

Auf dem RS1 als am weitesten ausgebauter Radautobahn soll aber erst mal eine Lücke in Ehningen geschlossen werden: Auf Höhe der Bäckerei Sehne wird der Schnellweg unterbrochen und führt durch Wohnstraßen.

Daten und Fakten zur Brücke

Dimensionen
 Das Bauwerk misst eine Gesamtlänge von 200 Metern, davon sind 120 Meter in Stahlbauweise, 80 entfallen auf die Zuwegungsrampen.

Die Steigung
 beträgt maximal fünf Prozent auf beiden Seiten, die Fahrbahn ist in Gussasphalt ausgeführt.

Die Kosten
 teilen sich in mehrere Teile auf: Mit 3,8 Millionen Euro übernimmt einen Löwenanteil das Land Baden-Württemberg, der Bund weitere 770 000 Euro, wozu weitere 500 000 Euro Planungszuschuss kommen. Somit entfallen auf die Kreiskasse nur rund 800 000 Euro der Gesamtkosten.

Die Statik
 des rund 241 Tonnen schweren Kolosses ist nicht trivial: Insgesamt 24 Großbohrpfähle stützen sie ab. Mit dem Schwertransporter kamen Brückensegmente angefahren, neun mussten mit dem Kran eingehoben werden. Das letzte am 26. Oktober 2024 – ein Jahr nach Spatenstich.