Um den Radarturm in Stetten gibt es Gezänk. Foto: Caroline Holowiecki

In der Diskussion um eine mögliche Verlegung des Radarturms in Stetten (Leinfelden-Echterdingen) hat sich auch gezeigt: Viele Anwohner haben Ängste, etwa vor gesundheitlichen Folgen. Wie gefährlich ist so ein Turm tatsächlich? Experten geben Antworten.

Stetten - Schön ist er nicht, und die rotierenden Schlagschatten, die er auf der Straße und auf Häusern malt, sind wohl auch verzichtbar. Der Grund, warum viele Stettener über den Radarturm am Bernhäuser Forst zanken, ist aber ein anderer. Es ist das, was Erhan Tepe, einer der direkten Anwohner, so formuliert. „Wir wissen nicht, ob es genetische Folgen hat für unsere Kinder.“ Sie sorgen sich vor einer möglichen unsichtbaren Gefahr. Manche Nachbarn treibt die Angst so sehr um, dass sie ihr Haus mit speziellen Tapeten und Gittern gegen elektromagnetische Strahlen abgeschirmt haben.

Das 35 Meter hohe Bauwerk der Deutschen Flugsicherung (DFS) steht seit 1963 in Stetten, die Wohnbebauung ist über die Jahre bis auf eine Straßenbreite herangerückt. Da die Technik veraltet ist, sucht die DFS eine Alternative. Über zwei Optionen wurde bislang öffentlich diskutiert: über einen Neubau im Gebiet Soläcker einige hundert Meter weiter und über eine Sanierung an Ort und Stelle. Variante zwei scheint die wahrscheinlichste. Dieser Tage wollen Verwaltung und DFS abermals diskutieren. Nachbarn verbinden damit die Hoffnung, dass der graue Riese wegkommt.

Beim Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) vertritt man eine klare Meinung: Die Grenzwerte seien nach internationalen Empfehlungen so festgelegt, dass direkte Gesundheitswirkungen ausgeschlossen werden könnten – das treffe auch auf Stetten zu. Die Bundesnetzagentur habe die notwendige Standortbescheinigung erteilt, der vertikale Sicherheitsabstand sei mit 8,05 Meter und die Montagehöhe der Bezugsantenne über Grund mit 31,9 Meter angegeben. „Diese Angaben können vereinfacht so interpretiert werden, dass die Grenzwerte im Einwirkungsbereich der Anlage mindestens an allen maßgeblichen Immissionsorten, die nicht höher als 23,85 Meter über Grund liegen, eingehalten werden. Folglich sind sie auf Straßenniveau und zum Beispiel auch in benachbarten zwei- oder dreigeschossigen Gebäuden eingehalten“, teilt Jan Henrik Lauer, ein BfS-Sprecher, mit. Generelle Festlegungen, wie weit Türme und Häuser aus Gründen des Schutzes vor elektromagnetischen Feldern auseinanderliegen müssen, gebe es nicht.

Es lägen Genehmigungen vor

Auch beim Landratsamt Esslingen beruft man sich darauf, dass alle Genehmigungen vorliegen, „wenn die Vorgaben eingehalten werden, dann kann man davon ausgehen, dass es keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen gibt“, sagt Wolf-Dieter Roser, ein Sprecher. Zudem betont das BfS, dass Radaranlagen für die Flugraumüberwachung ihre Energie vorwiegend in den Luftraum abstrahlten, „die Feldeinwirkungen im Umkreis der Anlagen sind in den öffentlich zugänglichen Bereichen deshalb gering“, heißt es aus Salzgitter. Michael Ulrich, Doktorand am Institut für Signalverarbeitung und Systemtheorie der Uni Stuttgart, erklärt, dass die Sendeleistung eines Geräts wie in Stetten bei etwa 25 Kilowatt Spitzenleistung liege. „Das klingt erst mal nach ziemlich viel, allerdings muss man auch betrachten, auf welchen Raum diese Leistung abgegeben wird“, sagt er. Wenn man den Abstand verdoppele, bleibe nur noch ein Viertel der Leistung pro Fläche übrig, verhundertfache man den Abstand, sei man nur noch bei einem Zehntausendstel der Belastung. „Das bedeutet, dass die Strahlung durch das Radar in Stetten etwa 0,1 Watt pro Quadratmeter beträgt, wenn man sich 200 Meter vom Radar entfernt befindet“, erklärt Michael Ulrich – und dies sei eine pessimistische Rechnung.

Laut dem Forscher ist die Art der Strahlung eines Radars mit der eines Telefons, Handys oder einer Mikrowelle vergleichbar. Tatsächlich sei das, was man in 200 Meter vom Radarturm entfernt aufnimmt, vergleichbar mit dem, was der Körper absorbiert, wenn er vor einer eingeschalteten, geschlossenen Mikrowelle steht.

Wie vor einer eingeschalteten Mikrowelle

600 Meter entfernt entspreche es der Sendeleistung eines Schnurlostelefons oder eines WLAN-Routers. „Natürlich hinkt der Vergleich ein bisschen, weil die Mikrowelle ja nicht den ganzen Tag in Betrieb ist und man auch nur einen Bruchteil der Sendeleistung des Telefons oder WLAN-Routers absorbiert“, betont Michael Ulrich, doch auch beim Radarturm müsse man von wesentlichen Verlusten in die Luft ausgehen. Einen Alltagsvergleich hat auch das BfS parat: Durch Handys, die man am Körper trage, setze man sich einer höheren Strahlung aus.

Ängste von Bürgern sind dem BfS indes nicht fremd. Studien hätten ergeben, dass Menschen Schlafstörungen zeigten, „die allein durch das Wissen über die Existenz einer Anlage, die elektromagnetische Felder erzeugt, in Verbindung mit der Besorgnis über mögliche gesundheitliche Risiken hervorgerufen wurden“. Dennoch betont Jan Henrik Lauer: „Die Ängste muss man ernst nehmen.“ Deswegen seien Behörden darauf bedacht, möglichst transparent zu arbeiten und gemessene Werte online zugänglich zu machen.

Die Bundesnetzagentur informiert über die von ihr erteilten Bescheinigungen auf emf3.bundesnetzagentur.de. Auch die 26. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, die die Werte für Radaranlagen festlegt, ist im Internet zu finden.