Justizminister Marco Buschmann (FDP) sucht nach einer Alternative dazu, die Daten aller Bürger für Strafverfolger zu speichern (Archivbild). Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka

Marco Buschmann (FDP) präsentiert seinen Vorschlag für eine Alternative zur Vorratsdatenspeicherung, um Straftäter im Internet verfolgen zu können. Streit in der Koalition ist jedoch vorprogrammiert.

Marco Buschmann macht Ernst. Der FDP-Justizminister hat einen Gesetzentwurf für das Quick-Freeze-Verfahren vorgelegt, mit dem er polizeiliche Ermittlungen erleichtern will, ohne gleich die Daten der gesamten Bevölkerung auf Vorrat zu erfassen. Der 37-seitige Gesetzentwurf liegt unserer Zeitung vor.

Anlass von Buschmanns Vorstoß ist ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom September, in dem die Vorratsdatenspeicherung in Deutschland als unverhältnismäßig beanstandet wurde. Telefonfirmen müssen dabei stets festhalten, wer wann wen angerufen oder angesimst hat. Internetprovider müssen speichern, wer sich wann mit welcher IP-Adresse ins Internet einloggte. So entstünde ein riesiger Datenfundus, auf den die Polizei bei Bedarf zugreifen könnte. Die Vorratsdatenspeicherung stand seit 2015 zwar im Gesetz, wurde aber nie praktiziert, weil deutsche Gerichte von Beginn an Bedenken hatten.

Quick Freeze soll Daten „einfrieren“ und „auftauen“

Als Alternative präsentiert Minister Buschmann nun das sogenannte Quick-Freeze-Verfahren, das schon seine Vor-Vor-Vor-Vorgängerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) propagierte. Dabei werden Daten nicht anlasslos auf Vorrat gespeichert, sondern anlassbezogen in einem sehr viel kleinerem Umfang. So könnte die Staatsanwaltschaft nach einem Mord beantragen, dass die Verbindungs- und Standortdaten aller potenziell Verdächtigen, des Umfelds des Opfers und der möglichen Tatorte von den Telekomfirmen vorsorglich eingefroren werden. Laut Gesetzentwurf dürfen alle Verkehrsdaten gespeichert werden, die für die Ermittlungen noch „von Bedeutung“ sein könnten. So können Daten von Dutzenden, aber auch von Tausenden Personen erfasst werden. Später dürfen aber nur solche Daten „aufgetaut“, also von der Polizei verwendet werden, die zu konkret Verdächtigen gehören. Alle übrigen Daten müssen ungenutzt wieder gelöscht werden.

Sowohl das Einfrieren der Daten als auch das Auftauen muss laut Gesetzentwurf von einem Gericht genehmigt werden. Im Eilfall kann aber auch die Staatsanwaltschaft entscheiden, ein Gericht muss dies nach spätestens drei Tagen bestätigen. Ein Quick-Freeze-Befehl gilt einen Monat und kann zweimal verlängert werden, Verkehrsdaten aus dem Umfeld einer Straftat können also bis zu drei Monate gesichert werden. Möglich wäre das Verfahren bei Gewalt-, Sexual- und schweren Vermögensdelikten, bei Drogen- und Steuerkriminalität sowie bei politischen Straftaten.

Innenministerin hat andere Vorstellungen

Innenministerin Nancy Faeser (SPD) propagiert jedoch eine Alternative: die Vorratsdatenspeicherung aller IP-Adressen. Auch dies hat der EuGH in seinem jüngsten Urteil zugelassen. Faeser wird hierbei von Kanzler Scholz unterstützt, nicht aber von ihrer Fraktion. Faeser hält Quick Freeze für ungenügend. Werde die Tat zu spät entdeckt, seien die Verbindungsdaten längst gelöscht und könnten nicht mehr eingefroren werden.

FDP und Grüne lehnen Faesers Vorstoß mit Blick auf den Koalitionsvertrag ab, der jede anlasslose Vorratsdatenspeicherung ausschließt. Gibt es in der Koalition keine Einigung, wonach es derzeit aussieht, bleibt es beim Status quo, es gäbe also weder Vorratsdatenspeicherung noch Quick Freeze. Buschmann hofft, dass sich letztlich auch die Sicherheitsbehörden für seinen Entwurf einsetzen – weil ihnen der Spatz in der Hand mehr bringt als die Taube auf dem Dach.