Die Querdenken-Bewegung habe sich zwar aus Anlass der Corona-Proteste gebildet, im weiteren Verlauf aber radikalisiert. (Archivbild) Foto: dpa/Jens Büttner

Was in Stuttgart mit kleinen Demos gegen Corona-Auflagen begann, ist ein Fall für den Verfassungsschutz geworden. Denn sogenannte Reichsbürger und Rechtsextremisten sollen bei der „Querdenken“-Gruppe das Sagen haben. Der Verfassungsschutz sieht sich nun bestätigt.

Stuttgart - Seit mehr als einem Monat wird die „Querdenken“-Bewegung vom baden-württembergischen Verfassungsschutz beobachtet. Zurecht, sagt die Landespräsidentin des Inlandsnachrichtendienst, Beate Bube. Sie sieht sich nach den ersten Wochen in der Einschätzung einer Gefahr vor allem durch die Verantwortlichen der Bewegung bestätigt. Wegen der Nähe der Organisatoren zu Reichsbürgern und Extremisten sei es richtig, eine mittlere zweistellige Zahl der radikalisierten „Querdenken“-Anführer im Land mit nachrichtendienstlichen Mitteln zu beobachten, sagte Bube der Zeitung „Badische Neueste Nachrichten“ (Donnerstag).

Die Bewegung habe sich zwar aus Anlass der Corona-Proteste gebildet, im weiteren Verlauf aber radikalisiert. Es gebe eine staatsfeindliche Haltung auf Demonstrationen und in den Online-Aktivitäten. „Solche Haltungen werden von den Organisatoren gezielt geschürt“, sagte Bube. „Aus unserer Sicht liegen also ausreichend Anhaltspunkte vor, dass hier Feinde der Demokratie am Werk sind.“

Klare Bezüge zum Extremismus

Den Verantwortlichen gehe es nicht um sachlichen Protest, sondern darum, staatliche Entscheidungen durch falsche Behauptungen und Verschwörungsmythen zu diskreditieren. „Bei dem Teil der „Querdenker“, der die Existenz des Grundgesetzes und der Grundrechte negiert, sehen wir klare Bezüge zum Extremismus“, sagte Bube.

Das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) in Baden-Württemberg beobachtet als erstes in Deutschland die in Stuttgart entstandene „Querdenken“-Bewegung. Die Gruppe „Querdenken 711“ ist so etwas wie die Keimzelle der mittlerweile bundesweit aktiven Protestbewegung gegen die Corona-Maßnahmen. Ende Dezember hatte ihr Gründer Michael Ballweg die Anhänger der Bewegung zu einer Pause der Großdemos aufgerufen. Die Vorwürfe des Verfassungsschutzes hat er wiederholt zurückgewiesen. Es seien nur „allgemeine, völlig substanzlose Gerüchte und Anschuldigungen“ vorgebracht worden.

„Aussteigerprogramm für Verschwörungsanhänger“

Mit einem „Aussteigerprogramm für Verschwörungsanhänger“ könnten nach Ansicht Bubes Brücken gebaut werden für Menschen, die sich von solchen Mythen trennen wollten. „Teils gibt es sogar in Familien und im persönlichen Umfeld eine tiefe Verstrickung in Verschwörungsmythen, was zu schweren Zerwürfnissen und in der weiteren Konsequenz zu einer Spaltung der Gesellschaft führen kann“, warnte sie im „BNN“-Interview.

Nach einer Sitzung des Innenausschusses am Mittwoch sagte dessen Vorsitzender Karl Klein (CDU), einzelne Akteure der „Querdenker“ könnten auch schon zu Anfangszeiten der Bewegung andere Ziele als die Aufhebung der Corona-Maßnahmen im Blick gehabt haben. Allerdings könne die Ursache für die Radikalisierung der Gruppe auch nicht abschließend beurteilt werden.