Blick in den Operationssaal. Foto: Fotolia

Deutschlands Kliniken liefern gute Qualität. Aber es gibt Ausreißer nach unten. Dagegen sollen Patienten sich künftig besser schützen können.

Deutschlands Kliniken liefern gute Qualität. Aber es gibt Ausreißer nach unten. Dagegen sollen Patienten sich künftig besser schützen können.

Stuttgart - Wie finde ich ein gutes Krankenhaus? Ist die nächstgelegene Klinik für mich die beste? Oder lohnt es sich, einen weiteren Weg in Kauf zu nehmen? Jedem, der eine planbare Operation vor sich hat, gehen solche Fragen durch den Kopf, und zwar aus den unterschiedlichsten Motiven.

Dem einen Patienten ist wichtig, dass Angehörige und Freunde möglichst oft zu Besuch kommen können. Er wird sich eher für ein Krankenhaus in der Nähe zum Wohnort entscheiden. Dem anderen Patienten dagegen ist vor allem daran gelegen, den Eingriff in einer Klinik machen zu lassen, die bei der bevorstehenden Operation medizinisch den besten Ruf genießt. Er wird im Zweifel auch eine längere Anfahrt in Kauf nehmen. Man hört schließlich so einiges, zum Beispiel von Ärzten, bei denen man in Behandlung ist, oder von Bekannten.

Das Thema Qualität im Krankenhaus ist in den vergangenen Jahren immer wichtiger geworden – nicht zuletzt für Patienten. Sie hinterfragen zunehmend ärztliche Diagnosen und Therapievorschläge, und sie wissen längst, dass es Qualitätsunterschiede in der Versorgung geben kann. Das Problem ist nur: Wie kann man verlässlich herausfinden, welches Krankenhaus bei einer bestimmten Behandlung gut ist und welches nicht?

Genau diese Frage steht im Mittelpunkt der nächsten Veranstaltung in unserer Reihe Forum Gesundheit. Sie findet am 19. März im Diakonie-Klinikum in Stuttgart statt. Leserinnen und Leser sind herzlich eingeladen - hier können Sie sich anmelden.

Im Prinzip gilt: Die Informationsmöglichkeiten für Patienten waren noch nie so gut wie heute. Seit 2005 nämlich gibt es eine gesetzlich vorgeschriebene Qualitätssicherung für Krankenhäuser. Das heißt, die Kliniken müssen für besonders häufige Krankheitsbilder bestimmte Qualitätskennzahlen erheben und an den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) melden. Der G-BA ist das oberste Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung von Ärzten, Zahnärzten, Psychotherapeuten, Krankenhäusern und Krankenkassen. Die Ergebnisse werden dann regelmäßig veröffentlicht.

Die Sache hat aber einen gewaltigen Haken: Die sogenannten Qualitätsberichte sind für Laien so gut wie ungenießbar und letztlich unbrauchbar. Man erfährt zwar, wie oft eine bestimmte Klinik zum Beispiel eine just implantierte Hüftprothese wegen Komplikationen wieder operieren muss. Doch insbesondere einen direkten Qualitätsvergleich zwischen zwei oder mehreren Krankenhäusern erlauben die Berichte nicht.

Auf Grundlage der Qualitätsdaten gibt es inzwischen eine Reihe von wissenschaftlichen Studien. Sie bescheinigen den hiesigen Krankenhäusern grundsätzlich eine gute Qualität. Aber es gibt ziemlich beunruhigende Befunde über krasse qualitative Ausreißer nach unten. So hat die Boston Consulting Group im vergangenen Jahr einmal die qualitative Bandbreite deutscher Kliniken bei ausgewählten Indikationen untersucht. Da erfährt man etwa, dass das Risiko einer erneuten OP nach der Erstimplantation einer künstlichen Hüfte (Reoperation) in manchen Kliniken 20-mal höher ist als in anderen. Oder dass das Risiko einer Reoperation nach einer Gallenblasenentfernung in manchen Kliniken fünfmal so hoch ist wie in anderen.

Als Patient wüsste man jetzt natürlich schon gerne, in welches Krankenhaus man sich besser nicht einweisen lässt. Aber die Art und Weise, wie die gesetzlichen Qualitätsberichte aufbereitet werden, verhindert genau diese Information – eigentlich ein handfester Skandal.

Auch die Suchmaschinen der Krankenkassen im Internet (siehe Hintergrund), die auf dem Material der gesetzlichen Qualitätsberichte basieren, bringen in diesem Punkt letztlich keine Klarheit. Sie sind aber allemal benutzerfreundlicher als die Qualitätsberichte selbst.

Auch die Politik hat erkannt, wie hoch problematisch es ist, beim Thema Qualität für ein bisschen Durchsichtigkeit zu sorgen, den Patienten aber nicht die Chance zu geben, mit den Füßen über das Krankenhaus ihrer Wahl abzustimmen. „Die Bürger haben ein Recht auf diese Form der Transparenz. Alles andere ist heute überhaupt nicht mehr akzeptabel“, sagt etwa der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach unserer Zeitung.

Bei planbaren Eingriffen, so fordert der SPD-Fraktionsvize, müsse sich jeder vorab informieren können, „wie Kliniken in seiner Region in der Vergangenheit qualitativ abgeschnitten haben“. So stehe es im schwarz-roten Koalitionsvertrag, „und das meinen wir auch 100-prozentig ernst“, sagt Lauterbach, der von Haus aus selbst Mediziner und Gesundheitsökonom ist.

Tatsächlich heißt es im Regierungsprogramm der Großen Koalition: „Die jährlich zu erstellenden Qualitätsberichte der Krankenhäuser müssen verständlicher, transparenter und als Grundlage für die Patientenentscheidung präziser werden.“ Ein neu zu gründendes „Qualitätsinstitut“ soll diese Aufgabe nun übernehmen.

Mal sehen, wie weit die Befugnisse des neuen Instituts am Ende reichen. Auch die mächtige Krankenhauslobby wird dabei ein gehöriges Wörtchen mitreden. Nach Einschätzung von Lauterbach, der die gesetzlichen Qualitätsberichte 2004 gemeinsam mit der damaligen Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) auf den Weg brachte, haben vor allem Kliniklobbyisten bisher direkte Qualitätsvergleiche zwischen den Krankenhäusern verhindert.

Die Hauptleidtragenden dieser Blockade seien die Patienten, so Lauterbach. Der SPD-Mann nimmt kein Blatt vor den Mund: „Es gibt Kliniken, die sind für das, was sie tun, weder personell noch von der Struktur her angemessen eingerichtet. Die machen Medizin auf Amateur-Niveau, die Patienten haben dort deutlich schlechtere Ergebnisse zu erwarten als in spezialisierten Häusern.“

Medizin auf amateurhaftem Niveau – das ist sicherlich das Letzte, was Patienten sich vor einer planbaren OP wünschen. Die Zahlen, mit denen die entsprechenden Kliniken zu entlarven wären, liegen vor. Sie müssen nur richtig ausgewertet werden. Erst dann haben Patienten wirklich eine Wahl.