Der "Pussy Club" in Fellbach wurde im Sommer 2009 dicht gemacht. Foto: dpa

Das Fraueninformationszentrum (FIZ) betreut Prostituierte, die gegen ihre Peiniger aussagen.

Stuttgart - Falsche Versprechungen, schlechte oder gar keine Bezahlung, schlimme hygienische Zustände, psychischer und physischer Druck - so sieht der Alltag vieler junger Prostituierter aus Rumänien aus. Das Fraueninformationszentrum (FIZ) betreut die Frauen, die gegen ihre Peiniger vor Gericht aussagen.

"Die meisten Frauen haben eine Wahnsinnsangst", sagt Doris Köhncke, Leiterin des FIZ und zuständig für die Fachbereiche Menschenhandel, sexuelle Ausbeutung und Öffentlichkeitsarbeit. Sie und ihre Kollegin Claudia Robbe haben die Ermittlungen gegen die Betreiber der Billigbordelle namens Pussy Club von Anfang an hautnah miterlebt. "Wir sind im Juli 2009 von der Polizei informiert worden, dass bundesweit Razzien in den Pussy Clubs bevorstehen", sagt Sozialarbeiterin Claudia Robbe.

Also waren sie und ihre Kolleginnen bei der Razzia in Fellbach dabei. Dort trafen sie auf 89 rumänische Frauen, die in dem Flatrate-Puff angeschafft hatten. "Eine 18-Jährige, die aussagen wollte, haben wir geschützt untergebracht", so Robbe. Die junge Frau habe aber jede Menge Anrufe und Textmitteilungen von ihren Kolleginnen bekommen, sie solle schweigen - was sie dann auch tat. Bei anderen Frauen hatten die Behörden unter Mithilfe der FIZ-Leute mehr Glück. "Im zweiten Pussy-Club-Prozess haben wir bis jetzt zwölf Frauen an 23 Prozesstagen betreut", sagt Doris Köhncke. Ein Knochenjob.

Ganztagesbetreuung für Prostituierte

Vor der 10. Strafkammer des Landgerichts Stuttgart mussten sich zu Beginn der Hauptverhandlung neun Männer und eine Frau wegen Menschenhandels, Zuhälterei und Sozialversicherungsbetrugs in Millionenhöhe verantworten. Inzwischen sitzen nur noch die drei mutmaßlichen Hintermänner auf der Anklagebank. Die anderen Männer wurden zu Gefängnisstrafen bis zu knapp fünf Jahren verurteilt, das Verfahren gegen die junge Frau wurde eingestellt.

"Dass so viele Mädchen den Mut aufbringen, in dem Prozess auszusagen, ist großartig", sagen die FIZ-Frauen Robbe und Köhncke. Denn das sei kein Selbstläufer, die Mädchen müssten intensiv betreut werden. Das Landgericht bucht und bezahlt die Flüge von Rumänien nach Stuttgart, die rumänische Polizei holt die Zeuginnen ab und setzt sie in den Flieger, die deutsche Polizei holt sie in Stuttgart ab und bringt sie ins Fraueninformationszentrum an der Urbanstraße. "Hier erklären wir ihnen dann, was auf sie zukommt", so Prozessbegleiterin Robbe.

Das FIZ sorgt für sichere Unterkünfte, bietet eine Ganztagesbetreuung und kleidet, falls notwendig, die Zeuginnen neu ein.

Zurück nach Rumänien und in die Prostitution

"Für die Frauen ist es unheimlich belastend, den Angeklagten gegenüberzutreten", sagt Claudia Robbe. Sie machten sich nicht nur Sorgen um sich selbst, sondern auch um ihre Angehörigen in Rumänien, die mit Drohungen überzogen würden. Ein ehemaliger Angeklagter aus dem Pussy-Club-Prozess, der mit einer Bewährung davongekommen war, wusste nichts Besseres, als sofort in ein rumänisches Dorf zu fahren. Dort bedrohte er eine junge Frau, die eine Woche später in Stuttgart aussagen sollte. Der Mann wurde festgenommen und sitzt in Stuttgart wieder in U-Haft.

Ein anderer Fall: Eine aussagewillige Zeugin, die für die Macher der Billigbordelle ihren Körper verkauft hatte, stammt aus einem rumänischen Familienclan, der mit einem anderen Clan in Fehde steht. Ein Angeklagter stammt aus dem zweiten Clan. "Es ist zu befürchten, dass die Familie der Täterseite zum Gegenschlag gegen die Familie der Zeugin ansetzt", sagt Doris Köhncke. Es sei klar, dass just diese Zeugin nicht mehr zurück nach Hause könne.

Auch konkret im Gerichtssaal sind die FIZ-Betreuerinnen massiv gefordert. Eine junge Zeugin erlitt nach stundenlanger Vernehmung einen epileptischen Anfall, eine andere wurde ob der zahllosen Fragen der Verteidigung sage und schreibe sieben Tage vernommen. "Das ist überaus anstrengend - für die Frau und für uns", sagt Claudia Robbe.

"Hepatitis fast schon normal"

Das FIZ sorgt auch für medizinische Versorgung. "Bei den meisten rumänischen Frauen, die wir im Rahmen des Pussy-Club-Prozesses begleiten, ist eine chronische Hepatitis fast schon normal", sagt Doris Köhncke. Bei einem Mädchen sei eine Schwangerschaft festgestellt worden. "Sie wusste gar nichts davon", so Köhncke.

Am Tag nach ihrer Aussage werden die meisten Frauen wieder ins Flugzeug nach Rumänien gesetzt. "Man entlässt sie dorthin zurück, wo sie hergekommen sind - in die gleiche wirtschaftliche Not, in den gleichen Schlamassel", sagen Robbe und Köhncke. Das belaste schon sehr.

Zwar stünde das Fraueninformationszentrum in enger Verbindung mit Nichtregierungsorganisationen (NGOs) in Rumänien, die den Frauen zu helfen versuchten. "Aber viele von ihnen tauchen bald wieder irgendwo in Europa in der Prostitution auf", sagt Doris Köhncke.