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Am Samstag haben rund 15.000 Menschen das Konzert von Pur in der Schleyerhalle besucht. Wir zeigen Ihnen die Bilder von Hartmut Englers Heimspiel.

Stuttgart - Am Samstag haben rund 15.000 Menschen das Konzert von Pur in der Schleyerhalle besucht. Für Hartmut Engler aus Bietigheim-Bissingen ist der Abend ein Heimspiel – und für die Fans ein Grund zum Singen: "Oh, wie ist das schön."

Es muss zwar keiner vorsingen, bevor er auf ein Konzert von Pur gelassen wird – ein bisschen mehr als "Hänschen klein" sollte man aber schon draufhaben. "Sind Sie textsicher?", fragt Manager Uli Roth vor dem Konzert am Samstag ein paar Fans. Und antwortet auf das schüchterne "Ja": "Wir werden das nachprüfen."

Dessen scheint sich das Publikum bewusst zu sein. Schon beim ersten Lied "Irgendwo" von der aktuellen Platte "Wünsche" singt die Menge mit. Jeder ist Teil eines riesigen Chors, und in der Mitte steht Hartmut Engler auf der Rundbühne und dirigiert. Das geht auch mehrstimmig – etwa bei dem Lied "Funkelperlenaugen". Engler teilt das Publikum und weist jeder Hälfte bestimmte Passagen des Stückes zu. Pur spaltet nicht nur die Stimmen des Publikums, sondern auch den Geschmack der Nation. Der Kritiker Wiglaf Droste hat es einmal so formuiert: "Die Musik von Pur muss man sich vorstellen wie eine fremde, warme, feuchte Hand, die sich ungefragt auf deinen Oberschenkel legt." Die Pur-Fans bleiben indes von den Kritikern unbeeindruckt. "Wünsche" ist im September direkt auf Platz eins der Album-Charts gestiegen.

Damit ist es das achte Album, das in 27 Jahren Bandgeschichte die Spitzenposition erreicht. Die Menschen, die seine Band mögen, seien eine schweigende Mehrheit, hat Hartmut Engler einmal gesagt. Nicht nur schweigend – eben auch singend. Ein Freund der Band meint, dass darin das ganze Erfolgsrezept der Gruppe zu finden sei: In der Entdeckung, wie gerne die Menschen ihre Stimmbänder benutzen. Das mache nicht nur Spaß, sondern helfe Alltagsprobleme leichter zu bewältigen, sagt der Musiktherapeut Rolf Verres. Und darauf scheint Hartmut Engler zu setzen. Während sein voran gegangenes Album "Es ist wie es ist" von seiner Stimmbandoperation und der Krebserkrankung eines Freundes verarbeitet, geht es auf der Wünsche-Platte um den Verlust der Liebe und seine, wie Engler es nennt, "alkoholdurchdrängte Depressionen" im vergangenen Jahr. "Ja ich spür, Du kriegst mich nicht mehr unter/ Du bist nichts mehr was mich unterkriegt", singt er Refrain von "Gesund" und feiert zusammen mit dem Publikum, dass es ihm wieder gut geht: "Genesen, am eigenen Wesen genesen."

Außer "Menschlichkeit" und "Kathrina" spielen Pur alle Stücke von der neuen Platte, die recht schnörkellos klingt. Es gibt keine Streicher, keine Bläser – stattdessen viel Gitarre. Der Grund: Pur wollen wie eine junge frische Band klingen, obwohl sie mit "Herbst" die zweite Runde von "Ein graues Haar" einläuten. Letzteres – genau wie andere Stücke von älteren Platten - funktionieren an diesem Abend am besten. Ein paar Tränen fließen bei "Tango", zu "Betrunken" werden sicher ein paar Heiratsanträge gemacht, und bei einer neu arrangierten Fassung von "Mittendrin" zeigt Engler, dass er auch Beat Box kann. Frenetisch gefeiert werden "Abenteuerland" und "Lena."

Welche Kompetenz Pur als Bewältigungshilfe von Alltagsproblemen haben, zeigt sich nach dem Konzert auf dem Parkplatz: Dort heulen nicht nur Motoren auf, sondern es singen fröhliche Menschen. Na dann.