Der VfB muss am Samstag gegen Gladbach ran. Foto: dpa

Sportpsychologe Werner Mickler über den Druck vor dem Kellerduell des VfB in Mönchengladbach.

Stuttgart - Am Samstag steht das nächste Endspiel für den VfB an. Die Stuttgarter müssen zum Tabellenletzten Mönchengladbach (18.30 Uhr/Sky und Liga total live). Der Verlierer kann seine Planungen für die zweite Liga vorantreiben. Werner Mickler über die richtige Vorbereitung aufs Spiel und die Chancen des VfB.

Herr Mickler, am Samstag steigt das Duell Mönchengladbach gegen Stuttgart. Wie können die Spieler mit dem Druck klarkommen?

Indem man ihn komplett ausblendet.

Wie soll das gehen? Der Abstieg droht.

Man muss sich klar vor Augen halten, um was es geht: Ich muss meine Aufgaben auf dem Platz erfüllen - mehr nicht. Wenn ich mir permanent Gedanken darüber mache, dass ich bei einer Niederlage dem Abstieg immer näherkomme, werde ich scheitern.

Das sagt sich so leicht.

Da ist auch der Trainer gefordert. Er muss dem Spieler klare Ansagen machen und sagen, was er auf dem Platz erwartet - so, dass gar kein Platz mehr für Verunsicherung und negative Gedanken da ist.

Und wenn die doch wieder kommen?

Dann muss ein Spieler kurz in sich gehen und sich sagen: Stopp - wo bin ich, und was habe ich zu tun. Das ist so, wie wenn Sie bei unserem Gespräch auf die Uhr schauen und Angst vor dem Zeitdruck haben. Dann vergessen Sie Ihre Fragen, verlieren Ihr Ziel aus den Augen, verzetteln sich und bekommen keine gescheiten Antworten mehr.

Machen wir also in Ruhe weiter: Wie sollte der VfB das Spiel am Samstag angehen?

Die Lage ist gar nicht so ungünstig. Bei den Mönchengladbachern herrscht Aufbruchstimmung, sie haben zwei ihrer drei Rückrundenspiele gewonnen...

...allerdings beide auswärts, daheim sind sie seit dem 9. April 2010 sieglos.

Sehen Sie, das ist der Punkt. Bei der Borussia erwarten jetzt alle den ersten Heimsieg. Die Spieler und das Umfeld denken sich: Wenn nicht jetzt, wann dann? Wenn nicht gegen den Vorletzten, gegen wen sonst? Darin liegt die Chance für den VfB.

"Team braucht Verkäufermentalität"

Inwiefern?

Die Gladbacher werden anrennen, aber wenn es nicht läuft, werden Spieler und Fans schnell unruhig. Je länger es 0:0 steht, desto besser ist es für den VfB. Denn dann liegt der Druck bei den Gastgebern.

Wie sollte der VfB spielen?

Wichtig ist, hinten sicher zu stehen, nichts zuzulassen und das Gladbacher Spiel zu zerstören, um die Unruhe heraufzubeschwören. Und dann gezielt Nadelstiche nach vorne zu setzen. Trainer Bruno Labbadia könnte vor dem Duell von seinen Spielern verlangen, dass sie sich in die Köpfe ihrer Gegner reinversetzen. Die sind gierig, die wollen es wahrscheinlich erzwingen. Darauf muss ich vorbereitet sein, ich muss den Willen brechen und dagegenhalten.

Der VfB vermittelte aber zuletzt nicht den Eindruck, als könne er den Willen des Gegners brechen.

In der zweiten Halbzeit hat der VfB gegen den SC Freiburg (0:1, d. Red.) in meinen Augen ein gutes Spiel gemacht.

Dafür war die erste Halbzeit umso schlechter. Von Dagegenhalten war da nichts zu sehen.

Ja, aber das sollte Trainer Labbadia komplett ausblenden. In einer Krise ist es wichtig, sich an die positiven Dinge zu erinnern und die Fortschritte zu erkennen. Das Negative muss man schnell abhaken. Labbadia sollte die Spieler an das 7:0 gegen Mönchengladbach in der Vorrunde erinnern. Jenen Spielern, die schon in den vergangenen Jahren dabei waren, sollte er vor Augen führen, dass sie in den vergangenen Spielzeiten nach schwerem Beginn noch die Kurve gekriegt haben. In der Krise sind die positiven Dinge im Gehirn blockiert, die muss ich wieder rauskitzeln. Der Aha-Effekt muss her.

Was ist außerdem zu tun?

Das Team muss in der Krise eine Verkäufermentalität entwickeln. Für den ist es ein Erfolg, wenn er nach sechs Fehlversuchen an der siebten Haustür was an den Mann bringt. Sich nicht unterkriegen lassen, noch eine Schippe drauflegen, das ist es.

Trainer Christoph Daum forderte in den Neunzigern mal eine "Staubsaugervertreter-Mentalität" von seinen Leverkusener Spielern.

Genau, und die muss ich auch im Spiel entwickeln. Wenn ich doch ein Gegentor kassiere, kann das manchmal sogar eine Befreiung sein und Ängste verdrängen.

Wie bitte?

Bei den Teams im Kampf gegen den Abstieg dominiert das Sicherheitsdenken, sie wollen hinten nichts zulassen. Das ist ja nichts Verwerfliches. Oft leidet darunter aber die Risikobereitschaft im Spiel nach vorne. Wenn ich ein Gegentor fange, kann ich die Fesseln ablegen und nach vorne spielen, weil ich eh nichts mehr zu verlieren habe. Ein Gegentor kann eine Befreiung sein. Der Trainer sollte sein Team darauf vorbereiten.