Biergarten, Badesee, Bananensplit: Am Wochenende soll es in Deutschland bis zu 30 Grad geben. Darf man diese Temperaturen genießen – trotz Wissen um die Erderwärmung? Der Psychologe Felix Peter gibt Antworten.
Sommerliches Wetter im Frühling macht den meisten Menschen gute Laune. Dass man Anfang April über einen Ausflug an den Badesee nachdenkt, kann aber auch erschreckend sein. Bis in die 1990er Jahre kamen Tage mit 30 Grad üblicherweise erst im Juli. Ist Freude also angebracht? Der Psychologe Felix Peter weiß Rat.
Herr Peter, in Deutschland sind am Wochenende Temperaturen bis zu 30 Grad möglich. Darf man sich darüber freuen Anfang April?
Ja, darf man. Gefühle sind nicht verboten.
Normal ist das aber nicht. Wie kann man die Freude darüber, draußen im T-Shirt Eis zu essen, mit der Sorge um die Klimaerwärmung zusammenbringen?
Wir müssen diese Ambivalenz aushalten. Mitteleuropa ist weltweit noch die Gegend, die am wenigsten unter der Erderhitzung leidet. Wir sind intensiv so sozialisiert, dass Sonne und gutes Wetter etwas Schönes sind. Der Körper reagiert darauf in der Regel auch positiv. Gleichzeitig kann es sein, dass sich dann unser Bewusstsein einschaltet, uns vor der Bedrohung warnt und wir gemischte Gefühle bekommen. Und bei manchen Menschen sind die Sorgen größer als die Freude über solche Temperaturen.
Kann man dann schon von Klimaangst sprechen?
Angst ist mehr als Sorgen. Sorgen finden im Kopf statt, sie sind die rationale Komponente der Angst. Man erkennt also eine Bedrohung und denkt immerzu darüber nach. Wenn man aber zugleich ein unangenehmes Gefühl im Bauch hat, könnte das Angst sein.
Was raten Sie Menschen, bei denen die Klimaangst überhandnimmt?
Dann, aber auch vorher schon, sind drei Punkte wichtig. Der wichtigste Faktor sind soziale Beziehungen. Also nicht allein bleiben mit der Angst, sondern sich im Freundeskreis und der Familie austauschen oder eine Klimagruppe besuchen. Ebenfalls wichtig ist Selbstwirksamkeit, also sich einen sinnstiftenden Beitrag zu suchen, etwas, das man selbst für den Klimaschutz tun kann. Die Besonderheit dabei ist: Wir sind es gewohnt, Probleme in der Regel irgendwie lösen zu können. Die Klimakrise können wir jedoch nur gemeinsam lösen. Der letzte Punkt besteht darin, Zuversicht zu bewahren, also die Bedrohung anzuerkennen und gleichzeitig Vertrauen darin zu haben, dass sich noch etwas tun lässt.
Wie kann man bei der Klimaerwärmung zuversichtlich bleiben?
Viele Wissenschaftszweige forschen daran, viele politische Akteure arbeiten daran, wie sich die Erderhitzung eindämmen lässt. Das darf uns Zuversicht schenken. In den letzten Jahren hat sich im Vergleich zu den vergangenen 40 Jahren sehr viel getan. Der Protest und das Sprechen in der Öffentlichkeit übers Klima hat etwas gebracht. Und jedes Zehntelgrad weniger ist enorm wichtig.
Wenn es nun am Wochenende bis zu 30 Grad gibt: Ist es dann auch okay, das Klima völlig zu vergessen und nur die Wärme zu genießen?
Es ist wichtig, sich solche Pausen zu erlauben. Denn es gibt zurzeit ja nicht allein die Klimakrise, sondern mehrere europaweite und globale Krisen. Außerdem hat jeder seine privaten Krisen. Das kann erschöpfen.
Wenn sich alle über das „schöne Wetter“ freuen – sollte man dann erwähnen, dass das nicht nur gute Seiten hat?
Es ist nicht zwangsweise nötig, da immer reinzugrätschen. Und es kommt sehr auf den Kontext und Anlass an oder wie gut man sich mit den Menschen versteht. Es gibt Personen, die verleugnen und bagatellisieren die Erderhitzung. Andere freuen sich vielleicht nur über das Sitzen in der Sonne, weil sie eine harte Woche hinter sich haben – wissen aber durchaus um die Bedrohung.
Wie sensibilisiert man richtig für die Klimaerwärmung?
Man kann vor allem von sich selbst erzählen, also zum Beispiel wie gut einem Klimaschutz im Alltag oder das Engagement in einer tollen Klimagruppe tut. Keine gute Idee ist der erhobene Zeigefinger, denn den kann kaum jemand gut aushalten – und er erzeugt Abwehr. So kommt man selten gut miteinander ins Gespräch. Gleichzeitig ist es wichtig, nichts zu beschönigen und den Sachverhalt so darzustellen, wie er ist, also dass die Klimakrise eine existenzielle Bedrohung ist. Doch dazu gehört es immer auch, konkrete Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen.
Im Frühling freuen sich die meisten Menschen noch über warme Tage. Ändert sich das im Sommer, wenn es über einen längeren Zeitraum heiß bleibt?
Wenn es über Tage hinweg sehr heiß ist und auch die Nächte keine Erholung bieten, dann ist das für Körper und Geist ziemlicher Stress und gesundheitlich belastend. Dann werden wir auf jeden Fall über die Klimakrise sprechen und die Kühle herbeisehnen.
Experte im Umgang mit Krisen
Psychologe
Felix Peter (40) hat an der Universität in Halle an der Saale Psychologie studiert und im Schwerpunkt Pädagogische Psychologie promoviert. Seit 2013 ist er als Schulpsychologe in Sachsen-Anhalt tätig. Er widmet sich beruflich sowie im Verein Psychologists for Future den Themen Nachhaltigkeitsbildung sowie Resilienz im Umgang mit gesellschaftlichen Krisen.