Das Bild der Überwachungskamera zeigt den Moment, als der Täter auf Höhe der Uhr über sein Opfer herfällt. Kein Fahrgast greift ein, niemand ruft die Polizei. Foto: Bundespolizei Stuttgart

Die Öffentlichkeit ist geschockt: Der Angriff auf einen Mann an der S-Bahn-Station Schwabstraße und die Teilnahmslosigkeit der Augenzeugen beschäftigen nach wie vor die Polizei. Die Bilder aus der Überwachungskamera könnten den Täter überführen.

Stuttgart - Dies ist der Stoff, aus dem Albträume sind. Ein Mann wird angegriffen, aus dem Nichts heraus, ohne erkennbaren Grund. Sekunden später liegt er auf dem Boden und wird weiter traktiert, am Ende mit Fußtritten gegen den Kopf. Die Szene wird von vielen Menschen beobachtet, aber keiner eilt zu Hilfe. Mehr noch – niemand kümmert sich um Hilfe, obwohl das in heutiger Zeit mit einem einzigen Druck auf das Smartphone möglich ist.

Die Bilder sind auch für die Polizei nur schwer erklärlich

Solch eine Szene vermutet man eher in den Brennpunktvierteln von Metropolen mit Gewaltproblemen als in einer Stuttgarter S-Bahn Station. Aber es ist genauso passiert, mitten in der Stadt, mitten am Tag in der S-Bahn-Station Schwabstraße. Auch für erfahrene Polizeibeamte sind die Bilder der Überwachungskamera nur schwer erklärlich. Das Opfer wird am vergangenen Samstag um die Mittagszeit von einem Mann mit einem kleinen Hund ohne ersichtlichen Grund und vor allem ohne vorherigen Kontakt oder sichtbaren Streit angegangen. „Die beiden fuhren, ohne miteinander zu kommunizieren, hintereinander auf der Rolltreppe hinunter zum Bahnsteig“, erklärt Polizeisprecher Jonas Große. Auf dem Bahnsteig wird das Opfer dann attackiert, in den Schwitzkasten genommen und zu Boden geworfen.

Ohne Eile verlässt der Täter den Bahnsteig

Anschließend versetzt der Angreifer dem am Boden liegenden Mann mindestens einen Tritt gegen den Kopf, ehe er ohne Eile und weiter in Richtung Opfer pöbelnd den Bahnsteig wieder verlässt. „Die Szene wurde von etwa 20 bis 30 Personen beobachtet“, sagt Jonas Große, „wobei niemand einschritt oder einen Notruf abgesetzt hat.“ Letzteres ist laut Große doch eher ungewöhnlich. „In der Regel bekommen wir zumindest eine schnelle Meldung“, erklärt der Polizeisprecher. Am Samstag blieben die 110-Leitungen aber still. In puncto Zivilcourage gibt es von der Polizei für solche Fälle klare Empfehlungen: Demnach sollte sich niemand selbst in Gefahr bringen oder den Helden spielen. Sich aber unter den anderen Beobachtern Verbündete gegen einen Aggressor zu suchen, schnell die Polizei unter 110 anzurufen oder mit dem Smartphone ein Foto vom Täter zu schießen, gehöre zu den Dingen, die nahezu jeder in so einer Situation tun könne. Am Bahnsteig in der Schwabstraße passierte allerdings gar nichts.

Inzwischen haben sich Zeugen gemeldet

Das Opfer, das nach eigener Aussage kurzzeitig ohnmächtig war, rappelte sich schließlich wieder auf. Erst jetzt wurde der Verletzte von einem Passanten angesprochen, ob er allein klarkomme. Der Mann fuhr dann mit der S-Bahn zwei Haltstellen bis zum Hauptbahnhof, um dort bei der Bundespolizei Anzeige zu erstatten. Nachdem der Vorfall danach durch die Medien publik gemacht worden war, meldeten sich doch noch Zeugen. Die Polizei ist jetzt zuversichtlich, aufgrund der Aussagen und der Bilder aus der Überwachungskamera den Schläger ermitteln zu können. Die Auswertung der Bilder legt den Schluss nahe, dass der Angreifer wegen seines Hundes in Rage geraten war. Da es aber vorher keinen sichtbaren Kontakt oder Konversation zwischen den beiden Männern gegeben hat, bleibt die Aggression weiterhin rätselhaft. Die Polizei bittet Zeugen weiterhin, sich unter 07 11 / 8 70 35 - 0 zu melden.