Im Fall der Windreich-Insolvenz hat in Stuttgart der Prozess begonnen. Foto: dpa

Mit Millionensummen verkalkuliert oder von Gegnern mit Absicht ruiniert? Im Fall der Windreich-Insolvenz hat in Stuttgart der Prozess begonnen. Die Anklage wittert Betrug und Trickserei, Firmengründer Balz eine Verschwörung.

Stuttgart - Aktenberge, acht Angeklagte und fast 20 Anwälte - mit dem Prozess zur Insolvenz des Windpark-Projektentwicklers Windreich vor knapp sechs Jahren hat am Landgericht Stuttgart eine voraussichtlich monatelange Spurensuche begonnen. In dem Verfahren, das am Mittwoch losging, ist so ziemlich alles strittig.

Die Staatsanwaltschaft ist überzeugt, dass die Firmengruppe aus dem kleinen Ort Wolfschlugen nicht weit von Stuttgart schon im Frühjahr 2012 zahlungsunfähig war und Gründer Willi Balz, der Hauptangeklagte, das wusste und mehr als ein Jahr lang vertuscht hat. Sie wirft ihm neben Insolvenzverschleppung unter anderem auch Betrug, unrichtige Darstellung in den Bilanzen und Insiderhandel vor. Balz selbst bestreitet die Vorwürfe vehement und sieht sich als Opfer einer Verschwörung von Gegnern der Energiewende. „Windreich war weder zahlungsunfähig noch überschuldet“, sagte sein Anwalt Alexander Schork in seinem Eröffnungsstatement.

Windreich plante und entwickelte Windparks vor allem auf hoher See, beschaffte Genehmigungen und organisierte den Bau, um die Projekte dann an Investoren zu verkaufen - ein risikoreiches Geschäft mit Millionensummen, für das Balz teils mit Hilfe seiner sieben Mitangeklagten über die Jahre ein kompliziertes Firmengeflecht aufgebaut hatte. Schon im Herbst 2011 habe die Insolvenz gedroht, spätestens Ende April 2012 sei Windreich tatsächlich zahlungsunfähig gewesen, heißt es in der am Mittwoch über mehrere Stunden verlesenen Anklageschrift. Erst im September 2013 aber sei die Insolvenz angemeldet worden.

Auch ein Wirtschaftsprüfer angeklagt

Bis dahin, so die Vertreter der Staatsanwaltschaft, hätten Balz und seine Vorstandskollegen mit falschen Darstellungen in der Bilanz dafür gesorgt, dass Banken und Geschäftspartner nichts merken. So seien Verträge geschlossen worden, obwohl klar gewesen sei, dass Windreich selbst oder die Tochterfirmen die vereinbarten Leistungen gar nicht hätten bezahlen können. Für Kredite seien die geschönten Bilanzen und gar nicht existierende Sicherheiten vorgelegt worden.

Mitangeklagt ist auch ein Wirtschaftsprüfer, der die illegalen Geschäfte unterstützt und gedeckt haben soll. Außerdem sitzt zusammen mit Balz auch der baden-württembergische Ex-Wirtschaftsminister Walter Döring auf der Anklagebank, der nach seiner politischen Karriere eine Zeit lang im Vorstand von Windreich war. Er bestreitet die Vorwürfe „energisch und mit Nachdruck“, wie er sagte. Sein Anwalt Thomas Richter kritisierte, angesichts der Tatsache, dass es in Dörings Fall der mutmaßlichen Insolvenzverschleppung um einen Zeitraum von gerade einmal vier Wochen gehe, sei die Anklage völlig überzogen. Er warf der Staatsanwaltschaft zudem schwere handwerkliche Fehler und eine völlige Fehleinschätzung der wirtschaftlichen Lage bei Windreich vor.

Die Staatsanwaltschaft hatte im Frühjahr 2013 Ermittlungen aufgenommen

Balz wird sich voraussichtlich an diesem Montag persönlich äußern. Am Rande der Verhandlung nannte er die Vorwürfe „Quatsch“ und erneuerte seinen Vorwurf, die Ermittler hätten sich vor den Karren anonymer Hinweisgeber spannen lassen, die dem Unternehmen schaden wollten. Die Staatsanwaltschaft hatte im Frühjahr 2013 Ermittlungen aufgenommen und Windreich durchsucht. Das habe weitere, schon unterschriftsreife Geschäfte vereitelt und damit letztlich die Firma in die Insolvenz getrieben, sagte Balz’ Anwalt Schork. Er kritisierte zudem, dass die Identität von „Vertrauensleuten“, auf die sich die Staatsanwaltschaft bei ihren Ermittlungen gestützt habe, nicht offengelegt werde. „Warum dürfen wir nicht wissen, wer hier denunziert?“, fragte Schork.