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Seit Mittwoch stehen die vier mutmaßlichen Terroristen der Sauerland-Gruppe in Düsseldorf im größten deutschen Terror-Prozess der vergangenen Jahre vor Gericht.

Düsseldorf - Fusselige Bärte, weiße Häkel-Mützchen und eine kleine Provokation gleich zum Beginn: Seit Mittwoch stehen die vier mutmaßlichen Terroristen der Sauerland-Gruppe in Düsseldorf im größten deutschen Terror-Prozess der vergangenen Jahre vor Gericht.

Nach wenigen Minuten weigert sich der Angeklagte Adem Yilmaz (30), für die Vereidigung der Dolmetscher aufzustehen: "Ich stehe nur für Allah auf", ruft er und grinst. Die Vertreter der Bundesanwaltschaft beantragen drei Tage Ordnungshaft gegen Yilmaz, bevor sie schließlich die Anklage verlesen.

Als Terroristen hätten sich die Angeklagten der Islamischen Dschihad-Union (IJU) angeschlossen. Diese habe sich spätestens seit den Anschlägen auf die israelische und die US-Botschaft in Usbekistan zum "globalen Dschihad" gesellt. Ihr Ziel sei es, "militant gegen die westliche Gesellschaft und ihre Werte vorzugehen" und "die Islamflagge in der ganzen Welt aufzustellen". In Ausbildungslagern in Pakistan hätten die Angeklagten den Umgang mit Sprengstoff und konspiratives Verhalten erlernt. Dort seien sie auch noch stärker radikalisiert worden. Die deutsche Zelle der IJU habe vornehmlich US- Einrichtungen und US-Bürger treffen wollen, erklären die Ankläger.

Doch spätestens als die Männer im hessischen Hanau Silvester 2006 die US-Kaserne langsam mit dem Auto umkurven, sind ihnen die Ermittler dicht auf den Fersen. Sie verwanzen die Autos und schneiden die Gespräche mit. Drei große Bombenanschläge gleichzeitig sollten es sein, erfahren die staatlichen Lauscher: "Wenn jeder 50 tötet und ein paar verletzt, dann sind das 150 Tote." Ein solches Ausmaß an Tötungsbereitschaft habe er in seinen bisherigen Verfahren noch nicht erlebt, sagt Bundesanwalt Volker Brinkmann.

Anfangs hätten sich der Rädelsführer Fritz Gelowicz (29), Daniel Schneider (23) und Yilmaz noch konspirativ über die "Torte" oder das "Geschenk" für die "Party" unterhalten, wenn es um die Bomben für die Anschläge ging. Später sei immer offener über die wahren Pläne gesprochen worden. In Dortmund hätten die Männer Elektronik-Bauteile und Edelstahl-Kochtöpfe gekauft und im Sauerland mit dem Herstellen des Sprengstoffs aus Wasserstoffperoxid und Mehl begonnen. Um mit den IJU-Anführern in Pakistan zu kommunizieren, habe Gelowicz mehrere Hundert Mal entweder Telefonläden aufgesucht, sich in ungeschützte WLAN-Netze ahnungsloser Internet-Nutzer eingeklinkt oder einfach öffentliche Telefonzellen benutzt.

Während es zwischen Anklägern und Verteidigern im Gerichtssaal beim Prozessauftakt völlig friedlich bleibt, ist der Schlagabtausch via Medien in vollem Gang. Die Verteidiger halten die Aussagen von Auslandszeugen in Usbekistan und Kasachstan für unverwertbar, weil die Zeugen möglicherweise gefoltert worden seien. Außerdem hätten die Ermittler illegal gewonnene Geheimdienst-Informationen genutzt, V- Leute seien mit von der Partie gewesen und bei der Zünderbeschaffung habe der US-Geheimdienst CIA mitgewirkt. Die IJU existiere in Deutschland außerdem gar nicht.

Bundesanwalt Brinkmann will von den Geheimdienst-Umtrieben und V- Leuten nichts wissen. "Wir haben derartige Erkenntnisse nicht." Es sei für ihn auch nicht nachvollziehbar, wieso die CIA sich an der Zünderbeschaffung für Anschläge gegen Amerikaner beteiligt haben sollte. Und die Vernehmung der Zeugen im Ausland sei auf Video aufgezeichnet worden - es gebe keinerlei Hinweise auf "verbotene Methoden". Aber selbst wenn das Gericht die Aussagen als nicht verwertbar einstufen würde, sei dies nicht entscheidend. "Die Anklage basiert nicht allein auf diesen Zeugen."

Gelowicz, Schneider und Yilmaz waren am 4. September 2007 in Oberschledorn im Sauerland von der Spezialeinheit GSG 9 festgenommen worden. Sie sollen im Begriff gewesen sein, aus 730 Litern Wasserstoffperoxid Sprengstoff mit einer Sprengkraft von 410 Kilogramm TNT herzustellen. Die Terrorfahnder hatten allerdings heimlich die Flüssigkeit durch eine stark verdünnte Lösung ersetzt. Der vierte Angeklagte Atilla Selek soll sich derweil in Istanbul um die Beschaffung der Zünder gekümmert haben. 20 von ihnen soll er in Schuhsohlen versteckt nach Deutschland geschmuggelt haben.