In den frühen Morgenstunden des 7. Juni 2021 hatten Einsatzkräfte die illegale Drogenplantage in einem Wohnhaus in Esslingen-Wiflingshausen ausgehoben. Foto: SDMG/Boehmler

Weil sie in Esslingen eine illegale Drogenplantage angelegt haben sollen, müssen sich drei Angeklagte vor dem Landgericht verantworten. Einer von ihnen soll für die Hege und Pflege der Cannabispflanzen verantwortlich gewesen sein.

Esslingen - Eine Drogenplantage mitten im beschaulichen Esslinger Stadtteil Wiflingshausen: Die Razzia vor Ort, der große Polizeieinsatz und der Fall hatten Anfang Juni vergangenen Jahres Aufsehen erregt. Seit Mittwoch müssen sich die mutmaßlich Verantwortlichen vor der 5. Großen Strafkammer des Landgerichts Stuttgart verantworten. Ein im Landkreis Göppingen wohnhaftes Ehepaar und ein 28-Jähriger wurden wegen des Vorwurfs des Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz angeklagt. Am ersten Verhandlungstag legten die Angeklagten umfassende Geständnisse ab und ließen sich auf eine Absprache mit fest gesetzten Strafmaßen ein. Das Urteil soll am Donnerstag, 24. Februar, verkündet werden.

Mietverhältnis vorgetäuscht

Die Biografien des beschuldigten Ehepaares scheinen unauffällig zu sein. Der 46-jährige Ehemann hat eine Ausbildung zum CNC-Fräser absolviert, seine 1978 geborene Ehefrau ist gelernte Bürokauffrau, war als Chefsekretärin tätig und brachte zwei Kinder aus einer früheren Beziehung mit in die Partnerschaft. Der Angeklagte sprach von einer harmonischen Partnerschaft, und die Ehefrau betonte, dass sie ihren Mann nach wie vor liebe. Die Trennung von ihm durch die Untersuchungshaft sei schmerzlich.

Doch die Idylle trügt wohl. Laut der Anklageschrift von Staatsanwalt Thomas Rüstig beschloss das Paar spätestens ab 2020, sich durch den gewerbsmäßigen Anbau von Cannabispflanzen eine zusätzliche Einnahmequelle zu erschließen. Wie im Laufe des Verhandlungstages durch Zeugenbefragungen herauskam, soll das Ehepaar eine Wohnung in Wiflingshausen in Esslingen angemietet haben. Miete, Kaution und mögliche Nebenkosten in Höhe von 44 000 Euro wurden bar im Voraus bezahlt. Das Ehepaar versuchte wohl mit allen Mitteln, den Anschein eines normalen Mietverhältnisses aufrechtzuerhalten. So soll die Ehefrau im Beisein von Nachbarn von den guten Einkaufsmöglichkeiten in der Umgebung gesprochen haben. In Wirklichkeit wurde aber hinter der angeblich gutbürgerlichen Fassade Cannabis in großem Stil in neun Räumen angebaut, um gewinnbringende Geschäfte mit Marihuana zu machen. Zur Pflege dieser illegal angebauten Pflanzen soll ab Februar 2021 der dritte Angeklagte als Gärtner beschäftigt worden sein. Er sei gelernter Automechaniker und Zimmermann, habe aber mitunter als Viehzüchter gearbeitet, gab der 28-Jährige vor Gericht an. Zudem habe er immer wieder auf Baustellen gearbeitet, um so seine Schulden abbezahlen zu können.

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Zweifel über Beweismittel

Durch das Abhören und Auswerten von Chatverläufen, Handygesprächen und weiterer Daten waren die Ermittler dem Ehepaar auf die Spur gekommen. Dessen Verteidiger Harald Müller versuchte, die Verwertbarkeit dieser Beweise in Frage zu stellen. Die Daten seien durch das US-amerikanische FBI gesammelt worden, das willkürlich, ohne einen Anfangsverdacht und ohne Gerichtsbeschluss mehrere Menschen überwacht und ausgeforscht habe. Das, so sagte der Jurist, sei nach deutschem Strafrecht nicht erlaubt, widerspreche dem Grundgesetz und sei ein Eingriff in die Persönlichkeitsrechte: „Da ist um jeden Preis, ohne Einhaltung von hier geltenden Rechtsgrundsätzen, ermittelt worden. Da könnten wir dem Rechtsstaat ja gleich ade sagen.“

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Absprache über Haftstrafen

Diese Einwände ließ die fünfte Strafgerichtskammer unter dem Vorsitz von Richter Volker Peterke nicht gelten. Nach Vorgesprächen und einer ausführlichen Beratung am Verhandlungstag sei über die Strafmaße gesprochen worden. Im Falle eines Geständnisses käme bei dem Ehemann eine Freiheitsstrafe zwischen fünf Jahren neun Monaten und sechs Jahren drei Monaten in Betracht. Die Ehefrau könne von einer Bewährungsstrafe zwischen einem Jahr und drei Monaten und einem Jahr und neun Monaten ausgehen. Allerdings soll über die Auferlegung von gemeinnützigen Arbeitsstunden nachgedacht werden. Von einer Geldstrafe werde in Anbetracht der finanziellen Umstände abgesehen.

Der dritte Angeklagte könne zu einer Haftstrafe von drei Jahren und drei Monaten bis drei Jahren und neun Monaten verurteilt werden. Die Angeklagten räumten daraufhin die ihnen zur Last gelegten Taten ein. Zu einer Änderung der Strafmaße, so Richter Peterke, könne es kommen, wenn etwa durch die Beweisaufnahme neue Sachverhalte ans Licht kämen.

Die Fortsetzung

Die Plädoyers und die Urteilsverkündung sind für Donnerstag, 24. Februar, geplant.

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Prozessverlauf
 Geplant war der Beginn des Prozesses am Dienstag, 8. Februar. Doch die Verhandlung musste wegen des positiven Coronatests eines der Beteiligten kurzfristig auf 16. Februar verschoben werden. Ursprünglich waren weitere sechs Prozesstage angesetzt. Nach den Geständnissen soll das Urteil am 24. Februar verkündet werden.

Objektsuche
 Laut der Aussage eines als Zeugen vernommenen Ermittlers soll das angeklagte Ehepaar auf der Suche nach weiteren Einfamilienhäusern für den Anbau illegaler Drogen gewesen sein. Besichtigungstermine und Gespräche mit Vermietern hätten bundesweit stattgefunden. Dabei habe die Ehefrau ihr Aussehen stets verändert.

Chatverläufe
 Aus Chats konnte laut Zeugen festgestellt werden, dass der angeklagte Ehemann einem Hintermann mehrfach Proben der Cannabispflanzen zur Qualitätsprüfung und Vertrauensbildung übergeben habe. Eine Ernte habe etwa 28 Kilogramm erbracht. Es sei aber wohl nur ein Kilo an einen Unbekannten verkauft worden.