Muss ein Kind im Erwachsenenalter für den mittellosen Vater aufkommen - auch wenn er es verprügelt hat? Foto: dpa

Für die Pflegekosten ihrer Eltern müssen im Normalfall die Kinder geradestehen. Wie aber sieht es mit der Pflicht zum Unterhalt für einen Rabenvater aus? Muss die Familie für den Senior zahlen – oder Vater Staat seine Kassen öffnen?

Stuttgart - Es besteht wohl kein Zweifel, dass Sandra R. (Name geändert) in ihrer Kindheit unter ihrem Vater gelitten hat. Bei seinen regelmäßigen Alkoholexzessen verschleuderte der Patriarch nicht nur den Familienbesitz, er wurde auch gewalttätig. Bevor der Senior seinen Nachwuchs im Stich ließ, hatte er Tochter und Geschwister unter anderem mit Jagdwaffen bedroht, das Verschwinden des schlagenden Vaters war für die aus dem Landkreis Ludwigsburg stammende Familie wie eine Erlösung.

Um so aufgewühlter war die Tochter, als jüngst Post von der Sozialbehörde ins Haus flatterte. Der prügelnde Patriarch hatte im Alter von Sozialhilfe gelebt, die monatlich 1500 Euro deckten einen Teil der Kosten für die Unterbringung in einem Pflegeheim ab. Nun wollte das Ludwigsburger Landratsamt wissen, ob nicht die Kinder den Betrag hätten übernehmen müssen – und forderte Sandra R. und ihre Geschwister deshalb auf, ihre wirtschaftlichen Verhältnisse offen zu legen. Gegen den Vorstoß wehrte sich die längst erwachsene Tochter mit einer Klage vor dem Heilbronner Sozialgericht. Wegen des jahrelangen Fehlverhaltens ihres leiblichen Erzeugers, so das Argument der Frau, sei es „grob unbillig“, sie zum Unterhalt für den ungeliebten Vater zu verpflichten. Schließlich sei der Senior selbst schuld an seiner Mittellosigkeit – das von der Mutter in die Ehe gebrachte Vermögen habe er mit der „Vorliebe für andere Frauen“ vernichtet.

Erst kürzlich hatte der Bundesgerichtshof in Karlsruhe entschieden, dass Kinder auch dann für die Pflegekosten ihrer Eltern aufkommen müssen, wenn es bereits vor Jahrzehnten zum Bruch gekommen ist – und seither kein Kontakt zum Nachwuchs bestand. Im jetzigen Fall aus dem Kreis Ludwigsburg kommt allerdings hinzu, dass der Vater die Familie nicht nur im Stich gelassen, sondern auch regelrecht tyrannisiert hatte. Allerdings: Vor dem Sozialgericht ging es ausschließlich um die Frage, ob die Tochter dem Landratsamt ihre Vermögensverhältnisse präsentieren muss. Für eine Entscheidung über die Unterhaltspflicht wäre laut Sprecher Joachim von Berg ein Familiengericht die zuständige Instanz.

Möglicherweise allerdings kommt es im Streit ums liebe Geld gar nicht mehr zu einem Prozess. Bei einer unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindenden Verhandlung vor dem Sozialgericht äußerte sich die Tochter offenbar sehr detailliert über die belastenden Kindheitserlebnisse, die Verfehlungen des verstorbenen Vaters im Zusammenhang mit seiner Alkoholsucht kamen ausführlich zur Sprache. „Nach der Einschätzung des Sozialgerichts war die Schilderung glaubhaft und authentisch“, erklärte Joachim von Berg am Mittwoch.

Das Ludwigsburger Landratsamt will nun als Sozialhilfeträger prüfen, ob nach den detaillierten Angaben von einer Unterhaltsklage gegen Sandra R. abgesehen wird. Ein Urteil sprach das Sozialgericht deshalb nicht. Die Klägerin kündigte an, dem Landratsamt einen Einblick in ihre Besitzverhältnisse zu gewähren. Nach dem Sozialgesetzbuch ist zu einer Auskunft über sein Vermögen verpflichtet, wer prinzipiell für eine Unterhaltspflicht in Betracht kommt. Nur wenn schon vorab offensichtlich sei, dass eine Unterhaltspflicht nicht bestehe, sei das behördliche Verlangen nach einer Auskunft sinnlos und damit rechtswidrig.