Es ist teuer, das Neresheimer Kloster zu erhalten. Die ominösen Millionen kämen ihm daher gerade recht – wenn das Gericht keine anderen Eigentümer anerkennt. Foto: Wilhelm Mierendorf

Etwa vier Millionen Euro wurden nach dem Tod des früheren Abts des Neresheimer Klosters gefunden. Seitdem wird um das Geld gestritten. Das Oberlandesgericht Stuttgart versucht jetzt zu klären, ober der Klosterverein oder ein Anwalt darüber verfügen dürfen.

Neresheim - Ohne Gehstock kommt der Rechtsanwalt und Kläger Walter Marcelli nicht in den Sitzungssaal des Stuttgarter Oberlandesgerichts. Kein Wunder mit 84 Jahren, einem Alter, in dem sich praktisch auch alle verbliebenen Mönche des Benediktinerklosters in Neresheim (Ostalbkreis) ungefähr befinden. Der prominenteste unter ihnen, der langjährige Abt Norbert Stoffels, starb 2013 mit 77 Jahren. Stoffels stammte, wie auch der Anwalt Marcelli, aus Krefeld. Die Männer kannten sich wohl von Kindesbeinen an. Irgendwann in den 90er Jahren wurden sie Partner in Finanzdingen. Kurbelten sie gemeinsam ein illegales Steuerkarussell an? Es gebe ja Leute, bemerkt der Vorsitzende Richter Oliver Mosthaf, die glaubten, die so genannte Stiftung Weinberg sei ein „Modell“ gewesen, das der „Steuerhinterziehung“ gedient habe.

Nein, wehrt Marcelli ab, der auf der Klägerbank einen durchaus virilen Eindruck macht. Der Weinberg, eine nicht selbständige Stiftung, deren Treuhänder zu sein er seit Jahren vorgibt, habe mildtätige Grundsätze, ihre Geldgeber, die leider zum größten Teil tot oder schwer krank seien, hätten Gutes zum Nutzen und Frommen vor allem des Klosters Neresheim tun wollen. Sie seien mit ihrem Vermögen Leihgeber gewesen, alle Zins-, Spekulations- und Dividendenerträge auf die Millionen hätten der Kirche zufließen sollen.

Gewinne konnten steuerfrei kassiert werden

Gesichert ist, dass 2010 bei der Deutschen Bank in Krefeld ein Depotkonto auf den Namen des Benediktinerklosters Neresheim e.V. eröffnet wurde – zu einer Zeit, als Deutschland gerade die Abgeltungsteuer auf Zinserträge eingeführt hatte. Marcelli hatte eine Kontovollmacht vom Abt Stoffels erhalten. Der katholische Klosterverein ist von der Einkommens- und Kapitalertragssteuer befreit. Alle Gewinne, die das Aktienkonto abwarf, konnten abzugsfrei kassiert werden.

Als Abt Stoffels, den Zeitzeugen bis heute als dominante Figur beschreiben, gestorben war, stieß sein Nachfolger, der Pater Albert Knebel, auf das Millionenvermögen. Auf dem Krefelder Konto lagen rund drei Millionen Euro in Aktienwerten, auf einem zweiten Festgeldkonto bei der Deutschen Bank in Aalen nochmals 1,4 Millionen. Das Geld, dessen Herkunft bis heute nicht geklärt ist, habe die Kirche bisher nicht angerührt, versichert ein Klostersprecher am Rand des Prozesses. Er sagt auch, der Klosterverein könnte es nur zu gut gebrauchen. Denn an Einnahmen habe er nur Pachterträge von kircheneigenen umliegenden landwirtschaftlichen Flächen sowie von einem kleinen Laden auf dem Klostergelände. Der Erhalt der imposanten Abteikirche müsse mit Spenden und Steuerzuwendungen gestemmt werden. „Stoffels war beseelt davon, Spenden zu sammeln“, sagt der Sprecher. Um persönliche Bereicherung sei es ihm nie gegangen.

1,4 Millionen für zwei alte Damen?

Der Anwalt Marcelli präsentiert dem Richter erneut eine Geschichte, mit der er bereits vor dem Ellwanger Landgericht scheiterte: Die Millionen stammten von anonymen Geldgebern, deren Namen er wegen seines anwaltlichen Schweigegebots nicht sagen dürfe. Er benennt nur zwei hochbetagte Frauen, denen aufgrund eines „Leihvertrags“ Geld aus dem Aktienvermögen zustehe und die er hier gerichtlich vertrete. Auf 1,4 Millionen Euro beziffert Marcelli seinen Anspruch. Eine Mandantenvollmacht hat er aber nicht. Eine Dame habe leider einen schweren Schlaganfall erlitten, die andere Mandantin leide an Demenz. Der Richter Mosthaf hält fest, die fehlende Vollmacht könne bereits „dazu führen, dass die Revision unwirksam ist“.

Einem der Anwälte des Klosters, Henning Necker, platzt in der Verhandlung der Kragen. „Ich glaube, die Damen haben keine Ahnung, dass ein Prozess geführt wird.“ Marcelli mache „für sich alleine herum“. Er bezweifle auch, dass es „diesen Weinberg überhaupt gibt“. Über Jahre hinweg habe Marcelli über das Depotkonto in Krefeld „Millionen bewegt“, aber: „Es gibt nicht einen Federstrich einer Akte.“

Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Betrugsverdachts

Eher um des Protokolls willen sondiert der Richter Mosthaf die Chance auf eine gütliche Einigung – beide Parteien winken ab. Der Kirchenverein erhält, wenn die Klage abgewiesen wird, wohl das gesamte Krefelder Depot. Wegen der 1,4 Millionen Euro bei der Aalener Bank hat sich noch niemand gemeldet. Die Gefahr, dass doch noch weitere Anspruchsteller auftauchen, ist gering, da bald eine Verjährungsfrist greift.

Am 22. November will der 6. Zivilsenat in Stuttgart sein Urteil verkünden. Die Sorge, auch diesmal wieder leer auszugehen, dürfte nicht Marcelllis größte sein. Denn die Staatsanwaltschaft Krefeld ermittelt wegen Betrugsverdachts gegen den 84-Jährigen. Ermittler versuchen, die wahre Herkunft des Millionenvermögens zu klären. Fest steht, dass ausschließlich Marcelli Geld von dem Neresheimer Kirchenkonto transferiert hat. Die drei Millionen Euro, die beim Tod des Abts entdeckt wurden, sollen, so der Verdacht, nur ein Teil der Geldströme sein, die unter dem Deckmantel der Gemeinnützigkeit bewegt wurden.