Für den tödlich verletzten Mann hätte auch ein Notarzt keine Hilfe mehr gebracht. Foto: dpa-Zentralbild

Nicht einmal ein Notarzt hätte dem Mann helfen können, der im Juli bei Alfdorf-Schillinghof nachts von einem Auto überrollt worden war. Ein 20-Jähriger ist nun neben fahrlässiger Tötung wegen versuchten Mordes angeklagt.

Alfdorf - Fahrlässige Tötung, gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr und versuchter Mord sind die Straftaten, wegen denen ein 20-jähriger Auszubildender aus Welzheim seit Mittwoch vor dem Stuttgarter Landgericht steht. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, nach dem Besuch des Sandlandfestes in Alfdorf-Hellershof am frühen Morgen des 8. Juli mit 1,6 Promille Alkohol im Blut und unter Cannabiseinfluss einen Mann am Ortsausgang des Nachbarortes Schillinghof überfahren zu haben. Dabei wurde der 22-Jährige, der mit zwei Promille Alkohol im Blut auf der Straße lag, tödlich verletzt. Auch ein herbeigerufener Notarzt hätte ihm nicht mehr helfen können, führte der Staatsanwalt in seiner Anklageschrift aus. Daraus ergibt sich der Vorwurf der fahrlässigen Tötung.

Kaum Erinnerungen an den Unfall

Der 20-Jährige sei weiter gefahren, ohne sich um den Mann zu kümmern. Erst nach etwas 200 Metern habe er angehalten und mit einem seiner drei Mitfahrer nachgeschaut, ob das Auto beschädigt worden sei. Daraufhin sei er davongefahren, um seine Alkoholfahrt zu vertuschen. Daraus ergibt sich nach Sicht der Staatsanwaltschaft der Vorwurf des versuchten Mordes – das Mordmerkmal in diesem Fall ist die Verdeckung einer Straftat.

Dass sich der junge Mann, der sich vor der 2. Jugendstrafkammer des Landgerichts verantworten muss, in seinem Zustand ans Steuer gesetzt habe, erfülle den Straftatbestand eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr, so die Anklage.

Am ersten Prozesstag berichtete der 20-Jährige ausführlich über seinen Lebensweg, zur Sache sagte er hingegen wenig. „Ich kann mich erst wieder von da an richtig erinnern, als die Polizei am nächsten Morgen bei bei uns zu Hause eintraf“, sagte er vor Gericht aus. Ansonsten könne er sich nur an drei kurze schleierhafte Szenen erinnern: Einen „Rumpler“, den er auf der Fahrt verspürt habe, einen Halt im Wald, als er und der Beifahrer ausgestiegen seien und schließlich die Ankunft in Welzheim.

Den Angeklagten zermürben Schuldgefühle

Am Tag nach dem Vorfall hatte der 20-Jährige gegenüber der Polizei jedoch Angaben gemacht. Danach habe er die anderen drei nach Welzheim bringen wollen. Warum sie dann gegen 4.30 Uhr von Hellershof nicht den kürzesten Weg nach Welzheim eingeschlagen hatten, sondern über Schillinghof in Richtung Alfdorf und dann am Eisenbachstausee vorbei, daran könne er sich nicht erinnern. Ein Umweg war das auf jeden Fall gewesen.

Ob es sich dabei vielleicht um eine Strecke gehandelt habe, bei der die Gefahr, in eine Polizeikontrolle zu geraten, geringer gewesen sei, wollte die Vorsitzende Richterin deshalb wissen. „Ich kann mich nicht erinnern“, lautete die Antwort des Beschuldigten – nicht nur auf diese Frage. Er sei gefahren, das stehe fest, sagte er. Für ihn habe der Vorfall das ganze Leben verändert. In der Untersuchungshaft habe er sich an die Gefängnispsychologin gewandt. „Ich kann es gar nicht fassen und habe enorme Schuldgefühle. Ich versuche, damit klar zu kommen, aber es gelingt mir nicht. Ich bereue vor allem, dass ich noch gefahren bin“, sagt der 20-Jährige.

Das abgerissene Kennzeichen führt zum Angeklagten

Auf seine Spur war die Polizei durch das Kennzeichen des Autos gekommen, das bei dem Unfall abgerissen worden war. Der Wagen gehört der Mutter des Beschuldigten, die an dem Tag zusammen mit dessen Stiefvater zum Wandern in Österreich war. Die Polizei nahm am nächsten Morgen nicht nur den 20-Jährigen fest, sondern auch dessen Bruder und Schwester, da zuerst nicht feststand, wer mit dem Auto gefahren war. „Als die Polizei kam, war ich mit der Situation völlig überfordert.“ Deshalb habe er auch zuerst eine völlig erfundene Geschichte erzählt.

Seit dem vergangenen Juli sitzt der bisher völlig unauffällige und unbescholtene 20-Jährige mit einer kurzen Unterbrechung in Untersuchungshaft. Seit Mittwoch nun wird ihm der Prozess gemacht, für den noch fünf weitere Termine bis in den März angesetzt sind. Am 19. Februar wird die Verhandlung fortgesetzt.