Ein 48-Jährige steht wegen versuchten Totschlags vor dem Heilbronner Landgericht. Foto: dpa

Ein 48-Jähriger steht vor Gericht, weil er einen Mitbewohner mit einer Axt angegriffen haben soll. „Er wollte mir den Schädel spalten“, sagte das Opfer zum Prozessauftakt.

Vaihingen/Enz - Die Sauberkeit im Bad oder die Lautstärke der Musik am Abend: Es sind offenkundig Kleinigkeiten, die die Situation in einer Obdachlosenunterkunft in Vaihingen an der Enz im Juni haben eskalieren lassen. Und zwar so heftig, dass sich ein 48-Jähriger seit Dienstag wegen versuchten Totschlags vor dem Heilbronner Landgericht verantworten muss. Er soll einen sieben Jahre älteren Mitbewohner mit einer Axt attackiert und ihn am Kopf verletzt haben.

Laut der Staatsanwaltschaft kam es am 20. Juni in der Unterkunft, in der beide Männer zu der Zeit lebten, zu einem Streit, der erst mit Worten ausgetragen worden sei, später aber handgreiflich wurde. Der Angeklagte sei an dem Nachmittag in sein Zimmer gegangen, habe eine 50 Zentimeter lange Spaltaxt geholt, sie mit beiden Händen in die Höhe geschwungen und dann mit der scharfen Schneide voraus auf den Kopf seines Opfers gezielt. Dann soll er mindestens einmal zugeschlagen haben. Weil das Opfer rechtzeitig seinen rechten Arm hochreißen konnte, wurde der Schlag laut der Ermittler abgelenkt. Die Klinge touchierte den Kopf nur und hinterließ an der Schläfe eine stark blutende Schnittwunde, die mit sieben Stichen genäht werden musste. Anschließend habe der Ältere den Angeklagten zu Boden geworfen und so lange festgehalten, bis die Polizei eintraf.

Der Angeklagte gesteht zum Prozessauftakt die Vorwürfe

Daran, dass der Angeklagte ihn töten wollte, ließ der Ältere zum Prozessauftat keinen Zweifel: „Er wollte mir den Schädel spalten, er hat mit voller Wucht ausgeholt und geschlagen“, sagte der Mann. Der Angeklagte räumte die Vorwürfe weitgehend ein. Sein Verteidiger erklärte, sein Mandant sei von dem Kontrahenten immer wieder übel provoziert worden, auch zu Hangreiflichkeiten sei es gekommen, obwohl das spätere Opfer erst wenige Wochen vor der Tat in der Unterkunft nahe des Enzufers eingezogen sei. Zuvor waren sich die Männer noch nie begegnet.

An dem Tag habe sein Mandant dem Älteren „eine Lektion erteilen wollen“ – und das unter erheblichem Alkoholeinfluss, sagte der Verteidiger. Laut einem Bluttest hatte der Angeklagte kurz nach dem Angriff rund 2,2 Promille Alkohol im Blut. Er selbst sprach am Dienstag von zwölf Flaschen Bier, die er an dem Tag getrunken habe. Schon lange habe er ein Alkoholproblem, bis zu sechs Liter Bier täglich seien normal für ihn. Der 48-Jährige, der seit rund drei Jahren arbeitslos ist, will sich nach dem Prozess einer Therapie unterziehen.

Auch gegen das Opfer wird ermittelt

Auf das Opfer wirkte der Angeklagte an jenem Juni-Tag gleichwohl nicht betrunken: Er habe jedenfalls geradeausgehen können, sagte der 55-Jährige. Es sei aber unter den Bewohnern des Hauses bekannt gewesen, dass der Angeklagte zu viel trinke, oft die ganze Nacht wach bleibe und dann bis zum nächsten Nachmittag schlafe. Die nächtlichen Aktivitäten hätten ihn gestört, weshalb es immer wieder zum Streit gekommen sei. Der Angeklagte habe ihn auf dem Flur der Unterkunft öfter bedroht, kurz vor der Attacke habe er geschrien: „Ich bring dich um“, sagte der Mann, der als Dozent arbeitet und nach eigenen Angaben so schnell wie möglich aus der Unterkunft ausziehen will. Gegen ihn ermittelt die Staatsanwaltschaft ebenfalls, weil er sich nach der abgewehrten Axt-Attacke auf den 48-Jährigen stürzte und ihn seinerseits mit Tritten und Faustschlägen traktierte – das sei mehr als Notwehr. Das Urteil in dem Prozess soll am 22. Dezember fallen.