Die Angeklagten haben sich am ersten Prozesstag bei den Opfern entschuldigt. Foto: picture alliance/dpa

Drei Angeklagte sollen wegen eines Marihuana-Diebstahls zwei Männer überfallen haben – offenbar die falschen.

Sindelfingen - Der Tatort war die Garage Nummer 413. Zwei Freunde, beide 24 Jahre alt, hatten sich vor ihr getroffen, wie so oft. Die Nummern 413 und 414 des Komplexes im Sindelfinger Stadtteil Viehweide sind der Mittelpunkt ihrer Freizeit. Sie schrauben dort an ihren Autos. Zum Ausklang des Abends an der Tankstelle rauchten sie einen Joint. Derjenige, für den die Nacht des 11. Oktober 2018 wegen einer Gehirnerschütterung und einer Platzwunde im Krankenhaus enden würde, saß auf einem Stuhl. Als der Wagen mit den drei Männern angefahren kam, war sein Kumpel gerade zu einem Regal in der Garage gegangen, um etwas zu trinken zu holen, eine Flasche Eistee.

Die Gedächtnislücken der Opfer sind erklärbar

Was genau in den Minuten danach geschah, wird sich schwer ermitteln lassen. Die beiden Opfer erinnern sich unterschiedlich. Der eine meint, einer der Angreifer habe die Pistole schon in der Hand gehabt. Der andere glaubt, jener Mann habe sie erst später aus dem Kofferraum geholt. Die Gedächtnislücken sind erklärbar, denn im Grundsatz sind die beiden einig: Sie wurden übel verprügelt, ohne auch nur zu ahnen, warum. Erst im Verlauf des Geschehens wurde ihnen klar, dass es den drei Schlägern offenbar um gestohlene Drogen ging.

Darin sind sich die beiden wiederum mit der Staatsanwaltschaft einig. Der Sinn des Angriffs sei gewesen, „Informationen darüber einzufordern, wer für einen angeblichen Diebstahl von Marihuana im Wert von 4000 bis 5000 Euro verantwortlich sei“. So steht es in der Anklageschrift. Die Drogen soll der Wortführer der Schläger in einer anderen Garage gelagert haben. Das Stuttgarter Landgericht verhandelt gegen die Angeklagten wegen versuchter räuberischer Erpressung, Körperverletzung und Drogenhandel. Bei einem der Angeklagten fand die Polizei zwei, bei einem anderen fast 200 Gramm Kokain. Alle Angeklagten haben sich am ersten Prozesstag bei den Opfern entschuldigt.

Die Angreifer sollen gedroht haben, ihren Opfern in die Knie zu schießen

Der Mann mit dem Eistee duckte sich unter den Faustschlägen weg und kam mit Prellungen im Gesicht davon. Sein Freund bekam zwei Hiebe mit der Waffe auf den Schädel. Sein Blut verteilte sich über den Boden der Garage. Die Angreifer befahlen zuerst seinem Kumpel, es wegzuwischen, dann fotografierten sie die Personalausweise der beiden. Danach sollen sie gedroht haben, ihren Opfern in die Knie zu schießen, wenn bis nächsten Sonntag kein Geld gezahlt werde. Erst danach erlaubten sie, dass der Schwerverletzte ins Krankenhaus gefahren wird.

Wie sie auf die Idee gekommen seien, dass es um Drogen gehen könnte, wenn die Angreifer von „Zeug“ sprachen, will der Vorsitzende Richter wissen. „Bei uns in der Viehweide sind solche Geschichten seit meiner Kindheit bekannt“, sagt einer der Überfallenen. Dass er beim Anblick der Waffe, sein Freund beim Blick auf die Munition sicher war, dass sie keineswegs mit einer Schreckschusspistole bedroht wurden, mag einen Einblick in das Milieu geben, in dem die Tat spielt. Genauso wie die Tatsache, dass die Täter offenbar keine Furcht vor Strafverfolgung hatten. Die Opfer identifizierten sie mühelos. Sie kannten ihre Angreifer aus der Schule oder aus der Nachbarschaft, wenn auch nur flüchtig.

Ursprünglich wollten die Opfer nicht zur Polizei gehen

Anfangs wirkte die Abschreckung. Im Krankenhaus erzählte der Mann mit der Platzwunde, er sei eine Treppe hinuntergefallen. Er verließ die Klinik, obwohl die Ärzte ihn keinesfalls gehen lassen wollten. Die Freunde kamen überein, nicht zur Polizei zu gehen. „Aus Angst“, wie beide sagen. Sie fürchten sich noch heute. Ob daran das Versprechen der Angeklagten etwas ändert, sie hätten keinen Racheakt zu fürchten, sei dahingestellt. Am nächsten Abend meldeten die beiden den Überfall doch. Sie hatten bei den Angreifern ins Gespräch gebracht, dass der Drogendieb ein anderer sein könnte, ein Nachbar. Mit ihm sprachen sie tags darauf. Offenbar hatte auch dieser Nachbar überzeugende Argumente. „Er hat uns gezwungen, zur Polizei zu gehen“, sagt einer der Überfallenen.