Über den Dienst Snapchat brachte der 22-Jährige die Mädchen dazu, ihm Nacktbilder zu schicken. Foto: dpa/Patrick Seeger

In einigen Fällen hatte der Mann aus dem Raum Leonberg auch Geschlechtsverkehr mit Opfern. Er ist angeklagt wegen sexuellen Missbrauchs.

Der junge Mann auf der Anklagebank des Stuttgarter Landgerichts macht einen guten Eindruck mit seiner Kurzhaarfrisur und dem kurzärmeligen weißen Hemd. Doch die Anklageschrift, für deren Verlesung Staatsanwalt Felix Schabel fast eine halbe Stunde braucht, lässt die Zuschauer im Sitzungssaal erschauern. Die Vorwürfe lauten auf sexuellen Missbrauch von Kindern in mehr als 20 Fällen, Körperverletzung, Nötigung und Besitz kinderpornografischer Inhalte. All das räumt der 22-Jährige aus dem Raum Leonberg über seinen Verteidiger am Ende des ersten Sitzungstages auch ein.

Mit Nacktbilder unter Druck gesetzt

In den Jahren 2019 und 2020 nahm er im Alter von 19 Jahren mit seinem Smartphone über den Messaging-Dienst Snapchat Kontakt zu zehn bis 14 Jahre alten Mädchen auf und forderte diese auf, ihm Nacktbilder und Fotos in sexuell aufreizenden Posen zu schicken. Während die Mädchen dachten, dass sich die Bilder nach einmaligem Anschauen löschen würden, kopierte der 22-Jährige diese mit einer anderen App und speicherte sie auf seinem Smartphone ab. Teilweise gab er sich bei der Kontaktaufnahme als ungefähr gleichaltriges Mädchen aus. Im Gegenzug schickte er dann häufig Bilder intime Fotos von sich selbst und Videos.

Von manchen seiner Opfer erhielt er bis zu 60 Bildern. Bisweilen setzte er psychische Druckmittel ein, um an die Nacktbilder zu bekommen. Mal erklärte er, er sei depressiv und würde sich etwas antun, wenn er keine Bilder bekäme, dann drohte er einem Mädchen, deren Familie zu entführen – häufig auch, die Bilder an andere Freundinnen weiterzuleiten.

Sexuelle Kontakte mit einigen Mädchen

Einige der Mädchen konnte er zu Treffen überreden. Mit einer 13-Jährigen hatte er sogar sexuelle Kontakte, von denen er Bilder und Videos machte. Mit mehreren Mädchen hatte er Geschlechtsverkehr in seinem Auto, mit einem auf einem Hochsitz. Ebenso erschütternd war jedoch, was der 22-Jährige mit leiser Stimme und dabei immer wieder stockend aus seinem Leben erzählte. Als Kind sei eine Störung bei ihm diagnostiziert worden, er habe Therapien hinter sich, bekam bis zu seiner Inhaftierung regelmäßig Medikamente. „Ich war ein sehr lebendiges Kind und habe andere Kinder beim Spielen gestört“, berichtete der Mann aus dem Raum Leonberg aus seiner Kindergarten- und Grundschulzeit.

Die Jahre auf der weiterführenden Schule seien „nicht angenehm“ gewesen. Mobbing und Schläge gehörten zu seinem Alltag. „Ich wurde in den Mülleimer gesteckt, und in meine Trinkflasche wurde hineingepinkelt“, nennt er zwei Beispiele. Anschließend absolvierte er eine Lehre, bei der er ein Lehrjahr wiederholen musste, weil sich seine Freundin von ihm nach fast vier Jahren getrennt hatte. „Das hat mir den Boden unter den Füßen weggezogen“, sagte er.

Angeklagter legt ein Geständnis ab

Die Freundin habe regelmäßig viel Zeit bei ihm verbracht – er habe ihr auf ihr Bitten hin sogar einen Heiratsantrag gemacht. Wenige Monate später habe sie ihm dann den Laufpass gegeben. Hinterher habe er erfahren, dass sie ihn mit seinem besten Freund betrogen hatte. „Danach habe ich angefangen, Whisky Cola zu trinken und zu kiffen“, führte der junge Mann weiter aus.

Damit hörte er erst auf, als die Polizei im Januar des vergangenen Jahres sein Zimmer durchsucht und sein Handy beschlagnahmt hatte. „Dann habe ich begonnen, über mein Leben nachzudenken“, erzählte der 22-Jährige. Er habe Hilfe bei Psychologen gesucht, es aber nur auf zwei Wartelisten geschafft. Ende November kam er in Untersuchungshaft.

Über seinen Anwalt ließ er erklären, dass er mit seinem Geständnis auch den Mädchen eine Aussage vor Gericht ersparen wolle. Ihm sei bewusst, dass er ein sexuelles Problem habe, er sei zu einer Sozialtherapie bereit. Mit dem Kontakt zu den jungen Mädchen habe er seine anderen Probleme überspielen wollen. Es tue ihm außerordentlich leid und er wolle sich bei allen entschuldigen.

Der Prozess wird am Montag fortgesetzt, das Urteil soll am 27. Juli verkündet werden.