Die Markgröninger Sozialunterkunft ist seit dem Brand unbewohnbar. Foto: SDMG/Archiv

Der 68-Jährige, der wegen Brandstiftung und vierfachen Mordes vor dem Landgericht steht, wurde schon 2016 bei zwei Vorfällen verdächtigt. Vor Gericht äußerte sich sein Verteidiger zu den neuen Vorwürfen.

Markgröningen - Der Mann, der sich derzeit wegen Brandstiftung in einer Markgröninger Sozialunterkunft und vierfachen Mordes vor dem Stuttgarter Landgericht verantworten muss, könnte noch mehr Straftaten begangen haben: So hatte die Kriminalpolizei den 68-Jährigen auch bei anderen Brandstiftungen im Jahr 2016 als möglichen Täter im Visier. Das gab einer der ermittelnden Beamten am Mittwoch in der Verhandlung an.

Konkret ging es um zwei Vorfälle: Im November 2016 brannte im Keller eines Wohnhauses nahe der orthopädischen Klinik in Markgröningen ein Sperrmüll-Haufen. Dichter Rauch zog damals durch das ganze Haus, acht Bewohner mussten von der Feuerwehr gerettet werden, weil sie ihre Wohnungen nicht mehr selbstständig verlassen konnten. Zwei von ihnen mussten ins Krankenhaus gefahren werden. Der Schaden wurde von einer Versicherung auf 150 000 Euro geschätzt, das Haus war mehrere Wochen unbewohnbar.

Angeklagter bestreitet die Vorfälle von 2016

Mehrere Monate zuvor hatte es im gleichen Gebiet, in dem auch der Angeklagte mit seiner Lebenspartnerin wohnte, schon einmal gebrannt: In der Küche eines Wohnheims waren ein Handtuch und ein Regal angezündet worden. Zum Glück für die Bewohner wurde das Feuer rasch entdeckt, so dass nur geringer Schaden entstand. Laut der Stuttgarter Staatsanwaltschaft steht im Raum, dass der 68-Jährige für diese beiden Brandstiftungen verantwortlich ist. Die Ermittlungen seien aber noch nicht abgeschlossen gewesen, als die Behörde ihre Anklage wegen des vierfachen Mordes erhob. Da bei einer Verurteilung des 68-Jährigen eine anschließende Sicherungsverwahrung in Betracht kommt, müssten die ersten Brände im laufenden Mordprozess berücksichtigt werden. Bernhard Krinn, der Anwalt der Angeklagten, sagte während der Verhandlung: „Mein Mandant bestreitet, für diese Brände verantwortlich zu sein.“

Zum Prozessauftakt hatte der Angeklagte zugegeben, im vergangenen August in der Sozialunterkunft in der Markgröninger Altstadt Feuer gelegt zu haben. Bei dem Brand waren vier Bewohner des Hauses ums Leben gekommen.

Durch die beiden Vorfälle im Jahr 2016 könnte die Liste von Brandstiftungen, für die der gelernte Krankenpfleger verantwortlich sein soll, noch länger werden. Denn bereits 1984 verurteilte ihn das Landgericht zu fünf Jahren Haft, weil er in einer Küche ein Feuer gelegt hatte. Zudem zündete er damals in einer Tiefgarage der Markgröninger Klinik mehrere Autos an.

Weiterhin offen ist das mögliche Motiv des Angeklagten für die Brandstiftung im August. Klar ist, dass er wenige Wochen vor dem Brand aus der Wohnung, die er mit seiner Partnerin hatte, ausziehen musste. Nachbarn und der Sohn der Frau, die inzwischen mit dem Angeklagten verlobt ist, sprachen am Mittwoch von zahlreichen und teils lautstarken Auseinandersetzungen zwischen den Partnern. Einmal habe der Angeklagte seine Freundin mit einer Bierflasche im Gesicht verletzt, weshalb er den Rettungswagen gerufen habe, berichtete der Sohn der Frau. Er habe sich ebenfalls oft mit dem Angeklagten gestritten, einmal sei es zu einer handfesten Auseinandersetzung gekommen, berichtete der 23-Jährige. Deshalb sei er Ende 2016 aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen.

Viele Auseinandersetzungen zwischen den Partnern

Eine Nachbarin gab an, dass der Angeklagte regelmäßig nachts durch das Haus „gegeistert“ sei. Sie habe deshalb extra einen Türspion einbauen lassen, um zu sehen, was der Rentner zu nachtschlafender Zeit im Haus treibt. Wegen der Ruhestörungen hätten immer mehr Nachbarn sich bei der Hausverwaltung beschwert.

Auf die Spur kamen die Ermittler dem Mann durch dessen Geständnis. So gab er bereits kurz nach dem Feuer im August zu, eine Decke im Erdgeschoss der Unterkunft angezündet zu haben. Später widerrief der Angeklagte seine Aussage wieder und gab an, sich nicht mehr erinnern zu können. „Das kennen wir von ihm“, sagte der leitende Kriminalbeamte vor Gericht. Ähnlich habe der 68-Jährige auch reagiert, als er wegen der beiden Brände im Jahr 2016 verhört worden sei. Gleichwohl musste der Kripo-Beamte einräumen, dass es ohne das Geständnis schwer geworden wäre, die Brandkatastrophe in der Unterkunft aufzuklären – an Zeugenaussagen zur Tat oder objektiven Beweisen fehle es.

Der Prozess wird an diesem Donnerstag, 19. April, fortgesetzt, ein Urteil soll am kommenden Mittwoch, 25. April, fallen. Bei einer Verurteilung droht dem einschlägig vorbestraften 68-Jährigen lebenslange Haft.

Finanzielle Folgen des verheerenden Feuers

Schaden
Laut einer Rathaus-Mitarbeiterin beläuft sich der gesamte Schaden an der städtischen Unterkunft auf mehr als 500 000 Euro. Das habe eine Versicherung ausgerechnet, sagte die Frau vor Gericht. Das Untergeschoss müsse komplett entkernt werden, das gesamte Gebäude werde saniert. Es sei unklar, wann das Haus wieder als Unterkunft für sozial Schwache genutzt werden könne.

Container
Als Zwischenlösung hat Markgröningen eine Containeranlage an der Schillerstraße aufstellen lassen. Die Kosten für dieses Provisorium schätzte die Zeugin auf rund 220 000 Euro.

Solidarität
Bei einer Sammelaktion für die Angehörigen und die Überlebenden des Brandes waren auf einem städtischen Konto etwa 10 000 Euro zusammengekommen.