Im August 2012 brannte das Asylheim in Heumaden – deshalb steht jetzt ein ehemaliger Bewohner vor Gericht Foto: 7aktuell

Ein verheerendes Feuer hat 2012 das Asylheim in Heumaden zerstört. Erst hieß es, es sei fahrlässige Brandstiftung gewesen. Jetzt steht ein Mann wegen Totschlagsversuchs vor Gericht.

Stuttgart - Er hatte sich als Held feiern lassen. Wenige Tage nach dem Brand im Asylbewerberheim an der Kirchheimer Straße am 25. August 2012, bei dem im Sillenbucher Ortsteil Heumaden eins der beiden Gebäude komplett zerstört worden war, posierte der heute 44-jährige Ex-Bewohner der Unterkunft für den Boulevard. Halbseitig mit großem Foto, auf dem er bandagiert im Krankenhaus zu sehen war, wurde berichtet, der Iraker habe sich todesmutig eingesetzt, um 13 Mitbewohnern das Leben zu retten. Das Bild hat sich seither um 180 Grad gedreht.

Erst war der Mann vor dem Amtsgericht wegen fahrlässiger Brandstiftung und fahrlässiger Körperverletzung angeklagt gewesen. Bei dem Brand mit mehr als einer Million Euro Schaden hatten sich verzweifelte Bewohner auf der Flucht vor den Flammen schwere Verletzungen zugezogen: Rauchgasvergiftungen, Knochenbrüche, Brandverletzungen. Es hieß, der 44-Jährige habe frühmorgens in seinem Bett eine Zigarette geraucht und sei wieder eingeschlafen. Bei der Polizei sagte er, das Feuer sei im Flur ausgebrochen – was ihm durch die Brandexperten widerlegt wurde. Sein Bett war der Brandherd.

Der Angeklagte schweigt eisern

Vor dem Amtsgericht Mitte Dezember vorigen Jahres schwieg der Angeklagte. Und auch die Zeugen brachten wenig Licht ins Dunkel. Seine Lebensgefährtin, mit der der Mann eine kleine Tochter hat, behauptete, sie sei mit dem Angeklagten verlobt. Deshalb müsse sie auch nicht aussagen. Wie lang sie denn verlobt seien? Das wisse sie nicht so genau, ungefähr drei oder vier Tage. Staatsanwalt Peter Kraft nahm ihr das nicht ab, die Amtsrichterin gestand der Frau trotzdem ein Zeugnisverweigerungsrecht zu.

Ein anderer Zeuge, der ehemalige Zimmernachbar des Angeklagten, wollte sich plötzlich an so gut wie nichts mehr erinnern können. Bei der Polizei hatte er noch ohne Punkt und Komma ausgesagt, sieben Seiten hatte seine Vernehmung umfasst. Ihm drohte der Staatsanwalt ein Verfahren wegen Falschaussage an. „Ich bin überzeugt, dass Sie hier Unsinn erzählen“, so Ankläger Peter Kraft. Die Wende brachte eine Bekannte des 44-Jährigen. Ihre Adresse blieb vor dem Amtsgericht geheim, es bestehe eine Bedrohungssituation. Die damals 34-jährige Zeugin sagte, der Angeklagte habe ihr gegenüber angedeutet, das Feuer gelegt zu haben. „Er sagte, er lebe in dem Asylheim wie ein toter Mensch“, so die Frau. Und sie lieferte auch noch ein mögliches Motiv.

Der 44-Jährige, der seit mehr als zehn Jahren den Status eines Asylbewerbers hat, sei frustriert gewesen. Er habe sich darüber beklagt, dass er mit seiner Freundin und dem Kind immer noch in der Unterkunft leben müsse. Nach dem Brand habe er geprahlt, er werde ungeschoren aus der Sache herauskommen. Daraufhin verwies die Amtsrichterin den Fall ans Landgericht, weil ein versuchtes Tötungsdelikt infrage komme. Der Angeklagte blieb auf freiem Fuß.

Aus Fahrlässigkeit könnte Mordversuch werden

Seit Montag steht er nun wegen versuchten Totschlags in 33 Fällen und wegen vorsätzlicher Brandstiftung vor der 9. Schwurgerichtskammer. Dort wiederholt sich am ersten Prozesstag der Auftritt der Lebensgefährtin. Sie wolle und müsse nichts sagen, weil sie mit dem 44-Jährigen verlobt sei. Seit wann, will Vorsitzender Richter Wolfgang Hahn wissen – erst Schweigen, dann: „Ich weiß nicht.“ Staatsanwalt Kraft interveniert dieses Mal nicht.

Richter Hahn ist mit der rechtlichen Würdigung der Amtsrichterin nicht zufrieden. Wenn es sich nicht um eine fahrlässige, sondern eine vorsätzliche Brandstiftung handele, „kommt statt versuchter Totschlag ein versuchter Mord in 33 Fällen in Betracht“ – und zwar aus Heimtücke und mit einem gemeingefährlichen Mittel, sprich Feuer.

Der Angeklagte schweigt wie schon vor dem Amtsgericht. Der Prozess ist auf fünf Tage bis zum 9. November terminiert. Fortgesetzt wird er am 28. Oktober.