Georg Funke war früher Chef der Immobilienbank Hypo Real Estate. Foto: dpa

Die Folgen der letzten weltweiten Finanzkrise sind auch in Europa immer noch nicht überwunden. In München steht nun der Banker vor Gericht, der in Deutschland als Gesicht der Krise galt. Ex-HRE-Chef Funke sieht sich als Opfer der Umstände.

München - Dunkler Anzug, ernstes Gesicht: Georg Funke kommt am Montag in Begleitung zweier Anwälte um 9.23 Uhr in den Gerichtssaal 274 am Landgericht München. Der viel zu kleine Saal ist randvoll. Nicht nur Journalisten wollen das juristische Aufrollen des Debakels miterleben. Auch viele Rechtsanwälte und geschädigte Ex-Aktionäre der Skandalbank Hypo Real Estate (HRE) füllen die Plätze. Dem Ex-Chef der HRE folgt sein früherer Vorstandskollege Markus Fell. Als das Duo auftaucht geht ein Blitzlichtgewitter los, dem sie achteinhalb Jahre lang erfolgreich aus dem Weg gegangen sind. Die Schläfen beider Männer sind angegraut und Fell trägt keine Krawatte mehr. Aber allzu locker dürfte es im kommenden Halbjahr nicht werden.

Funke und Fell stehen vor Gericht, weil sie über die Lage der Immobilienbank HRE, die zum größten Bankenrettungsfall der Republik wurde, im Jahr 2008 öffentlich bewusst gelogen haben sollen. Fell ist zudem der Marktmanipulation angeklagt. Fünf Jahre Haft könnte das im schlimmsten Fall bedeuten. Funke drohen maximal drei Jahre Gefängnis. Mit stoischer Ruhe erträgt der 61-jährige die Fragen. Wo er derzeit wohnt, ist geheim. Dem Gericht verraten es Funke und Fell nur schriftlich. Normalerweise werden solche Angaben zu Beginn eines Prozesses verlesen. Aber ein normales Verfahren ist der Prozess mit den beiden Bankern nicht – auch wenn es gar nicht um die Verantwortung für den Beinahe-Kollaps der HRE geht.

Aufgerollt wird die Vergangenheit dennoch. Das verdeutlicht die zweieinhalbstündige Verlesung der Klage durch Oberstaatsanwältin Hildegard Bäumler-Hösl klar. Die Juristin hat t Erfahrung mit Dax-Konzernen und deren Vorständen. Bäumler-Hösl hat bereits Siemens wegen schwarzen Kassen vor den Kadi gezerrt. Was die Staatsanwältin und ihre Kollegen über das Innenleben der HRE und deren Tochterunternehmen Depfa rekonstruiert haben, ist erschütternd.

Der HRE werden krasse Managementfehler vorgeworfen

Die Anklage gerät zum Report über krasse Managementfehler und Ahnungslosigkeit, die die HRE im Blindflug in die Finanzkrise haben stürzen lassen. Bereits im September 2007 hatte die irische Pfandbriefbank Depfa, die damals von der HRE umworben war, erkannt, dass sie damals kurz vor ihrer Zahlungsunfähigkeit gestanden hatte. Dessen ungeachtet schlug die HRE vier Wochen später zu und übernahm die Pfandbriefbank. Im Dezember warnten Wirtschaftsprüfer von der Unternehmensberatung PWC vor einem „wesentlichen Risiko“ für die Liquidität der Depfa. Das Management um Funke hielt die Situation für beherrschbar, ordnete aber Vorsicht im Neugeschäft an, was jedoch nicht umgesetzt wurde. „Es fehlte an klaren Vorgaben für die Depfa sowie an deren konsequenter Überwachung“, stellen die Ermittler klar.

Im März 2008 empfahl die Prüfungsgesellschaft KPMG einen Liquiditätskatastrophenplan. „Die Liquiditätslage des Konzerns ist als kritisch anzusehen“, schrieb KPMG damals. Es bestehe „allerhöchster Handlungsbedarf“. Depfa-Mitarbeiter stellten zeitgleich intern das eigene Geschäftsmodell in Frage. „Konkrete Maßnahmen wurden jedoch nicht beschlossen“, stellen die Staatsanwälte fest. Erstmals kritisch mit dem Liquiditätsrisiko der Depfa befasst habe sich der HRE-Vorstand Ende Juli 2008 – abermals ohne konkrete Gegenmaßnahmen. Um diese Zeit monierte die Innenrevision der Depfa, dass die eigene Liquiditätslage als zu hoch angegeben wurde und man dadurch gegen wichtige Vorschriften verstoßen habe.

Die HRE musste sich Notkredite in Milliardenhöhe beschaffen

Nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers im September 2008 brachen bei der HRE dann alle Dämme. Bereits eine Woche später musste das HRE-Management ein Treffen mit der Deutschen Bank vereinbaren, um sich Notkredite in Milliardenhöhe einzusammeln, die sukzessive aufgestockt und um Staatsgarantien in dreistelliger Milliardenhöhe ergänzt wurden. Die zwischen Herbst 2007 und Herbst 2008 immer heller leuchtenden Warnlampen habe der HRE-Vorstand um Funke öffentlich aber ausgeblendet, sagen die Staatsanwaltschaft: „Es erfolgte eine unvertretbar und evident falsche Darstellung der Liquiditätslage der HRE.“ Öffentlich erklärten die Banker hartnäckig, die Lage ihrer Bank sei stabil.

Diese Verharmlosung sei bewusst gewesen, sagen die Staatsanwaltschaft. Sie habe das Ziel verfolgt, HRE-Kapitalgeber über die wahre Lage zu täuschen, um die Refinanzierung der Bankengruppe zu sichern. Über die Mängel des eigenen Risikomanagements seien sich Funke & Co bewusst gewesen. Schuldig fühlen sich beide Angeklagte aber nicht. Das wollen sie in jeweils mehrstündigen Erklärungen darlegen. Ein kurzer Prozess ist nicht zu erwarten.