Es sollen Vorboten einer Serie gewesen sein – doch die Schüsse in einer Julinacht 2022 in Zuffenhausen bleiben ungeklärt. Das Landgericht sprach einen Angeklagten frei.
Wenige Tage vor seinem 25. Geburtstag hat ein mutmaßliches Mitglied der Zuffenhausen/Göppingen-Gang ein besonderes Geschenk bekommen: Er ist wieder frei. Nach einem mehrmonatigen Prozess wurde er von der 19. Strafkammer des Landgerichts vom Vorwurf freigesprochen, im Juli 2022 in Zuffenhausen auf zwei gegnerische Mitglieder der Esslingen/Ludwigsburg-Gruppierung geschossen zu haben. Die Staatsanwaltschaft hatte für ihn noch fünf Jahre Haft wegen versuchten Totschlags gefordert.
Der Prozess ist aus zweierlei Gründen ein bedeutsam gewesen. Zum einen gehören die Schüsse zu den ersten, die im Zusammenhang mit der Serie von bewaffneten Auseinandersetzungen zweier multiethnischer, im Kern kurdisch geprägter Gruppierungen in der Region Stuttgart von der Polizei registriert wurden. Zum anderen gibt es keine redewilligen Zeugen des Vorfalls – die Anklage gegen den jungen Mann fußt wesentlich auf abgehörten Gesprächen per Pkw-Innenraumüberwachung sowie auf Angaben einer Vertrauensperson. Nicht ausreichend allerdings für die Kammer unter dem Vorsitzenden Richter Norbert Winkelmann.
Die Mutter schöpfte Verdacht: Warst du das?
Das Problem des Indizienprozesses: Die Anklage konnte nicht einmal den konkreten Tatzeitpunkt angeben. War es der 20. Juli 2022? Oder die Nacht zum 30. Juli? Bemerkenswert jedenfalls, dass selbst die Mutter des Angeklagten, die im Verlauf des zehnmonatigen Prozesses spontan als Zeugin gehört wurde, offenbar einen Verdacht gehegt hat. In einem sichergestellten Chatverlauf hat die Kripo eine Nachricht an ihren Sohn gefunden, mit der Frage: „Warst du das?“ Unsere Zeitung hatte über den Vorfall vom 20. Juli 2022 unter der Überschrift „Wer steckt hinter dem Schuss auf offener Straße?“ berichtet.
Schon damals hatte unsere Zeitung dargestellt, dass es im Umfeld eines Lokals an der Burgunderstraße in Zuffenhausen zu Szenen mit Schusswaffen gekommen war. In diesem Fall hatte eine Besatzung eines weißen BMW in Richtung des Stammlokals der Zuffenhausen-Clique gefeuert, eine Kugel blieb in der Glasscheibe einer Eingangstür eines benachbarten Lokals stecken. Ein schwarzer Mercedes verfolgte den Angreifer. Danach verloren sich alle Spuren. Auf die Frage des Richters, wie die Mutter denn darauf komme, dass mit dem schwarzen Auto ihr Sohn etwas zu tun haben könnte, blieb die Antwort eher vage – und wurde auf Anraten des Verteidigers auch nicht weiter ausgeführt.
Bereits zur Urteilsverkündung auf freiem Fuß
Bei dem angeklagten Fall soll jedenfalls ein Auto mit Ludwigsburger Kennzeichen, offenbar gegnerische Eindringlinge im Zuffenhäuser Cliquenrevier, in der Nähe des Stammlokals gestellt worden sein. Der Angeklagte soll auf die beiden Insassen geschossen haben. Beide ins Visier genommene Personen sind dem Landeskriminalamt als Angehörige der Esslingen/Ludwigsburg-Gruppe bekannt. Einer von ihnen, ein 22-Jähriger, ist wegen tätlichen Angriffs auf den Handgranaten-Attentäter von Altbach im Juni 2023 sowie wegen Schüssen auf ein mutmaßliches Führungsmitglied der Zuffenhausen-Gruppe zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden. Allerdings bisher nicht rechtskräftig.
Der Fall der Schüsse vom Juli 2022 bleibt nach dem Freispruch für den noch 24-Jährigen vorerst ungeklärt. Die 19. Kammer hat ihn dabei nicht nur aus Mangel an Beweisen, sondern aus sogenannten tatsächlichen Gründen freigesprochen. Er befand sich bereits am Tag der Urteilsverkündung nicht mehr in Untersuchungshaft.