Die Polizei musste am 11. Juli zwei Kontrahenten in der Waiblinger Altstadt trennen. Foto: Weingand / STZN

Im Prozess um eine Messerstecherei in der Altstadt wird auch am zweiten Prozesstag nicht klar, warum zwei junge Männer aufeinander losgingen. Einer von ihnen steht nun wegen versuchten Totschlags vor dem Landgericht Stuttgart.

Waiblingen - Eine Nichtigkeit kann tödliche Folgen haben, wenn sie den Falschen widerfährt. Ein falscher Blick soll im westfälischen Lünen einen 15-Jährigen veranlasst haben, einen 14-Jährigen in seiner Schule mit einem Messer zu töten. Ein falscher Blick und ein Messer waren auch bei der Auseinandersetzung im Spiel, die sich am 11. Juli vergangenen Jahres gegen Mittag in der Waiblinger Altstadt zugetragen hat. Ein 25-Jähriger und ein 23-Jähriger gerieten zuerst im und vor dem Foyer des Rathauses aneinander, später dann in einer nahegelegenen Gasse. Der 25-Jährige steht nun wegen versuchten Totschlags vor der 9. Strafkammer des Landgerichts Stuttgart. Er hat seinen Kontrahenten mit einem Messer verletzt – zu seinem Glück nur oberflächlich.

Ein wütender Blick im Rathausfoyer

Am Montag wurde sein 23-jähriger Gegner als Zeuge gehört. Dessen Beschreibung der Ausgangssituation im vollen Wartebereich des Rathauses steht der des Angeklagten entgegen. „Warum schaust du mich so an?“, habe er den 25-Jährigen gefragt, der ihn ohne Grund mit einem wütenden Blick bedacht habe. Zuvor habe er den Mann noch nie gesehen, er habe ihm auch keinen Anlass gegeben, sich über ihn aufzuregen. „Er hat so aggressiv geschaut, als ob er mich gleich auffressen wollte.“ Schließlich habe er dem anderen gesagt, er solle mit ihm vor das Rathaus gehen.

Dass es dort nicht zu einer Diskussion kommen sollte, sei ihm doch klar gewesen, fragte der Vorsitzende Richter Jörg Geiger den Mann. Dieser wich in seiner Antwort aus, genauso wie es der Angeklagte am ersten Prozesstag gemacht haben soll: Er habe sich provoziert gefühlt, hatte dieser gesagt. „Ich war sauer und bin mit rausgegangen.“

Videokamera hält Schlägerei vor dem Rathaus fest

Statt ihre Behördengänge zu erledigen, gingen die beiden nicht gerade schmächtig gebauten jungen Männer auf dem Rathausplatz aufeinender los. Eine Videokamera hat die Auseinendersetzung aus Richtung des Marktdreiecks eingefangen. Eine Sequenz daraus wurde am ersten Prozesstag vorgeführt. Darauf sieht man die beiden Kontrahenten mit zur Deckung erhobenen Fäusten abwechselnd aufeinander einschlagen oder den Hieben des anderen blitzschnell ausweichen.

Auch der 17-jährige Bruder des 23-Jährigen ist zu sehen, der wie ein Box-Schiedsrichter wirkt, als er den beiden Kämpfern über einen großen Teil des Platzes folgt. Schließlich lassen die beiden Kontrahenten voneinander ab, man sieht Passanten, die dazwischen gehen und versuchen, die Kämpfer zu beschwichtigen. „Aber sie haben immer wieder von vorne angefangen“, sagt einer dieser Männer, der als Zeuge ausgesagt hat.

Wer wen wie bei dem Faustkampf getroffen hat, ist bisher in dem Prozess nicht ganz klar geworden. Der 23-Jährige sagt, der Angeklagte habe ihm vor dem Rathaus unvermittelt mit der Faust auf den Mund geschlagen, sodass seine Lippe geblutet habe. Ebenfalls nebulös sind immer noch die Umstände, welche die beiden Kontrahenten und den 17-jährigen Bruder wenig später in der Mittleren Sackgasse erneut aufeinandertreffen ließ. Dieses Mal zückt der Angeklagte ein Messer mit zwei Klingen. Mit der Waffe vom Modell „Zombie Claw“ soll er in Richtung des Gesichts seines Widersachers geschlagen habe.

Messerattacke geht glimpflich aus

Der Angriff hatte glücklicherweise keine gravierenden Folgen. Er habe mit den Händen sein Gesicht geschützt, sagte der 23-Jährige und demonstrierte das dem Gericht. Das Messer habe ihn statt im Gesicht am Oberarm verletzt. Bis heute leide er unter psychischen Folgen der Attacke. Sein Bruder, der den Angeklagten festhalten wollte, erlitt eine leichte Schnittwunde am Bauch. Schließlich ergriff der Angeklagte die Flucht, wurde jedoch wenig später festgenommen.

Für den Prozess sind noch zwei weitere Verhandlungstage geplant.