Mit Schlägen und Hilfsmitteln folterten zwei Männer ihr 52-jähriges Opfer in einem Esslinger Obdachlosenheim. Foto: dpa

Zwei Männer sollen einen 52-Jährigen in einem Obdachlosenheim in Esslingen fast zu Tode gequält haben. Nun hat sich das Opfer vor Gericht geäußert.

Esslingen - Es waren Szenen verstörender Grausamkeit, die sich in der Nacht zum 25. Juni vergangenen Jahres in einer Obdachlosenunterkunft in der Plochinger Straße in Esslingen zugetragen haben sollen. Zwei Männer, beide alkoholsüchtig und psychisch krank, sollen einen 52-Jährigen fast zu Tode gequält haben. Ihnen wird versuchter Mord, gefährliche Körperverletzung und schwerer Raub vorgeworfen. Am Dienstag sagte nun das Opfer vor der ersten Schwurgerichtskammer des Landgerichts Stuttgart aus.

Er habe damals seit einer Woche mit dem 59-Jährigen ein Zimmer in der Obdachlosenunterkunft geteilt, berichtete das Opfer vor Gericht. Eine eigene Wohnung habe der Esslinger seit fünf oder sechs Jahren nicht mehr gehabt. Immer wieder habe es kleinere Streitereien mit dem Mitbewohner gegeben. „Ich dachte, das legt sich wieder“, erklärte der Mann. Doch an jenem Samstagabend sei sein Mitbewohner in einem Frauenkleid, wie er es öfters getragen habe, und mit einem weiteren, ihm unbekannten, Mann betrunken und aggressiv in das Zimmer gekommen. Er habe an diesem warmen Abend nur mit einer Unterhose bekleidet auf dem Bett gesessen. „Dann ging es los, es hat sofort Theater gegeben“, sagt der 52-Jährige.

Opfer erzählt von Martyrium

Die beiden Angeklagten hätten die Türe verriegelt, ihn beschimpft und ihm mit Bierflaschen auf den Kopf und ins Gesicht geschlagen. Er habe am Kopf geblutet, sei zu Boden gesunken und habe dort gesessen. Einer der Täter habe ihn festgehalten, der andere habe einen Hammer und eine verrostete Beißzange geholt. Mit der Zange habe man ihm ein Ohrläppchen abgezwickt. Mehrfach sei ihm der Tod angedroht worden. Anschließend hätten die Männer damit begonnen, ihm die Fingerkuppe des linken Zeigefingers abzutrennen. „Das hat höllisch wehgetan“, erinnert sich der Mann. Doch das Martyrium war danach noch nicht zu Ende.

Mit einem Hammer hätten ihm die Angeklagten zwei- bis dreimal heftig auf die Knie geschlagen. Als weiteres Folterinstrument sei ein Gartenschlauch mit einem Metallring zum Einsatz gekommen. Damit hätten die Männer auf ihn eingedroschen. Außerdem habe ihm sein Mitbewohner im Frauenkleid während seines Martyriums die Nägel lackiert und anschließend Nagellack und Rasierwasser über seine blutenden Wunden geleert. Am Ende seien ihm noch seine Armbanduhr und zehn Euro abgenommen worden. Die ganze Aktion habe rund eine Stunde gedauert, schätzte der Obdachlose vor Gericht.

Zurückgewiesene Annährungsversuche

Was genau der Auslöser des Gewaltexzesses war, ist dem Opfer bis heute ein Rätsel. Sein Mitbewohner habe ihm gestanden, dass er auf ihn stehe und habe in der Vergangenheit mehrfach versucht, ihn zu küssen. Er habe die Annäherungsversuche aber zurückgewiesen, erklärte das Opfer. Ein weiterer Streitpunkt zwischen dem Opfer und seinem früheren Mitbewohner waren Geldfragen. Am Morgen vor der Tat habe ihn sein Mitbewohner nach zehn Euro gefragt, die er ihm aber nicht gegeben habe. Ein weiterer möglicher Grund könnte laut dem 52-Jährigen gewesen sein, dass sich der Mitbewohner über die Unordnung in dem Raum geärgert hatte.

Dass der Mann den Gewaltexzess überlebt hat, war auch einer schnellen medizinischen Versorgung zu verdanken. Den 54-jährigen Angeklagten packte nach der Tat offenbar das schlechte Gewissen. Er rief den Notarzt, was ihm bei einer Verurteilung positiv angerechnet werden könnte. Das Opfer war nicht mehr in der Lage, sich selbstständig vom Boden zu erheben und einen Arzt zu rufen. Einem medizinischen Bericht sei aber zu entnehmen, dass das Opfer ohne Hilfe vermutlich an seinen Verletzungen gestorben wäre, sagte die Vorsitzende Richterin Ute Baisch. Er sei zwei Tage lang im Koma gewesen, habe Rippenbrüche und Platzwunden erlitten, berichtete das Opfer. Der Zeigefinger habe zweimal operiert werden müssen, um eine Amputation zu verhindern. Bis heute habe er Angstzustände und schlafe schlecht. „Es ist nicht mehr so wie früher“, sagt er. Der Prozess wird fortgesetzt.