Wegen des Mordes an einem Landwirt bei Rottweil soll ein 61-Jähriger Mann nun lebenslang in Haft. Foto: dpa

Bei einem Überfall auf einen Bauernhof kommt ein Landwirt ums Leben. Ein Obdachloser ersticht ihn und flüchtet mit etwa 200 Euro. Dafür muss er jetzt ins Gefängnis.

Rottweil - Als der Richter das Urteil verkündet, schüttelt der Angeklagte immer wieder den Kopf, er starrt mit angespannter Miene auf den Boden und knetet die Finger. Bei einem Überfall auf einen Bauernhof bei Deißlingen (Kreis Rottweil) hat er einen Landwirt mit einem Fleischermesser erstochen. Der zur Tatzeit 61 Jahre alte Obdachlose sieht sich selbst bis zuletzt als größtes Opfer eines tragischen Unfalls. Doch das Rottweiler Landgericht verurteilt ihn am Freitag wegen Mordes in Tateinheit mit räuberischer Erpressung zu lebenslanger Haft.

Gedämpfte Jubelrufe

Von den Zuschauersitzen dringen beim Richterspruch gedämpfte Jubelrufe durch den Gerichtssaal, die Tränen der anwesenden Eltern des Opfers - einem 38 Jahre alten Landwirt - sind während der gesamten Verhandlung nicht zu stillen. Als der jetzt Verurteilte zuvor den Gerichtssaal betritt, sind die Kameras auf ihn gerichtet, Blitzlichtgewitter. Der kleingewachsene Mann mit den Geheimratsecken im kurzen dunklen Haar sitzt in Untersuchungshaft, bekommt die Handschellen abgenommen.

Mit dem Urteil schließt sich das Gericht den Forderungen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklage an. Nach Darstellung des Richters war der wohnsitz- und staatenlose Mann auf seiner Wanderschaft an dem einsam gelegenen Hof bei Deißlingen vorbeigekommen und hatte dort unbemerkt in einem der Gebäude übernachtet. An einem Morgen Anfang Oktober lauerte er dann zunächst den Angehörigen des späteren Opfers im Hofladen auf, fesselte sie teils und forderte Geld. Mit einem über den Kopf gestülpten Strumpf maskierte er sein Gesicht. Der 38-Jährige kam dazu, griff ein und wurde im Gerangel erstochen. Er starb am Tatort.

Mit seiner Beute, gerade mal etwas mehr als 200 Euro, flüchtete Täter in ein Waldstück in der Nähe. Dort wurde er später festgenommen - bei ihm fand die Polizei das Geld. Der Verteidiger stellte zwar keinen konkreten Antrag, hatte in seinem Plädoyer aber betont, dass die Beweisführungen auf Indizien beruhten und ein Unfall nicht ausgeschlossen werde könne. Als solchen hatte der Angeklagte den Fall nämlich dargestellt.

Situation artete aus

Er habe nur um etwas Geld bitten wollen, hatte er beim Prozessauftakt Anfang April beteuert. Dass die Situation im Hofladen so ausarten würde, habe er nicht kommen sehen. Er habe nur den Angriff des späteren Opfers abwehren wollen. Im Gerangel seien beide dann gestürzt, woraufhin der 38 Jahre alte Landwirt quasi auf das Messer fiel und somit unglücklich die tödlichen Verletzungen erlitten habe.

„Die Einlassung des Angeklagten, der von einem tragischen Unfall spricht, ist widerlegt“, betonte der Richter. „Mit hoher Geschwindigkeit und großer Kraft stach er mit dem Messer in den Oberkörper des Opfers“, sagte er. „Der Angeklagte nahm so den Tod seines Opfers billigend in Kauf, um an das Bargeld zu kommen.“ Demnach spreche die Spurenlage für eine unbedingte, mit voller Wucht und Kraft vollzogenen Gewalttat. Auch psychologische Gutachter bescheinigten, dass der Täter im Wissen handelte.

Dass der Mann keine Verantwortung für seine Tat übernehme, liege an einer Persönlichkeitsstörung, sagte der Richter. „Dem Angeklagten fällt es schwer, Unrecht einzuräumen. Vielmehr begibt er sich in eine Opferrolle - obwohl er weiß, dass er Schuld hat.“ Der Mann sei aber voll schuldfähig. „Der Angeklagte wusste zu jeder Zeit genau, was er tut“, sagte der Richter.

Als Opfer gesehen

Die Unfähigkeit des Mannes, auf die Gefühle anderer Menschen einzugehen und die eigene Schuld einzugestehen, wird nach den Worten des Richters besonders an einer Tatsache deutlich: Dass der Verurteilte sich während des gesamtes Prozesses selbst als größtes Opfer gesehen habe.