Einem deutsch-ukrainischen Staatsbürger wird der Prozess gemacht, weil er Kunden dazu bewegt haben soll, riesige Summen vermeintlich in Bitcoin zu investieren.
Vladyslav O. lebte bereits seit mehr als zweieinhalb Jahren unbescholten in Deutschland, als ihn seine ukrainische Vergangenheit doch noch einholte. Eine Vergangenheit, in der er ungewollt in kriminelle Machenschaften hineingeraten war und in der er gutgläubige Menschen in Deutschland um viel Geld gebracht hat. Dafür muss er sich nun vor dem Landgericht Stuttgart verantworten.
Der Vorwurf lautet banden- und gewerbsmäßiger Betrug sowie Computerbetrug in sechs Fällen. Insgesamt geht es um eine Summe von knapp 210 000 Euro, die den sechs Geschädigten durch das Wirken von Vladyslav O. verlorengegangen sein soll. Der Angeklagte arbeitete in der Zeit von April bis Anfang Juli 2022 in einem Call Center in Mukatschewe, einer Stadt im Westen der Ukraine. Dabei brachte er die Menschen dazu, Geld in die Kryptowährung Bitcoin zu investieren, was angeblich hohe Gewinne abwerfen sollte. In Wirklichkeit wurde das Geld aber einbehalten. Das Ganze flog erst auf, als einer der Geschädigten Anzeige erstattete. Die Ermittler kamen über Chat-Verläufe und Finanztransaktionen schließlich auf Vladyslav O. – und nahmen ihn im Februar in seiner Wohnung in Kiel fest.
Geständnis gleich zum Prozessauftakt
Der Angeklagte legte direkt nach der Anklageverlesung ein Geständnis ab. Dabei ging er ausführlich auf die Vorgeschichte ein, die auch für die Urteilsbemessung relevant sein dürfte, wie der vorsitzende Richter andeutete.
Vladyslav O. wuchs in Charkiw im Osten der Ukraine auf. 2018 kam er unter Anwendung des Spätaussiedler-Gesetzes zum ersten Mal nach Deutschland – seine Großmutter ist ethnisch Deutsche. Nur zwei Jahre später kehrte er nach Charkiw zurück, um sich um seine andere, demente Großmutter zu kümmern.
In der Ukraine arbeitete er zunächst als schlecht bezahlter Englisch- und Deutschlehrer, bevor er ein Stellenangebot als Betreuer von deutschsprachigen Kunden in einem Call Center bekam. Durch Sprachkurse in Weiden in der Oberpfalz sprach er schon damals fließend Deutsch. Der Angeklagte nahm das Angebot an, was sich für ihn finanziell als deutliche Verbesserung herausstellte. Als Sales Manager sollte er die Menschen dazu bewegen, eine Ersteinzahlung auf ein Konto vorzunehmen.
Der Angeklagte entkam dem Betrugssystem – bis der Krieg begann
Zunächst hatte der Angeklagte dabei keine großen Bedenken. „Aber mit der Zeit wurde mir immer mehr klar, dass das alles dubios war“, erzählt er. Vladyslav O. wurde anschließend in ein Team versetzt, wo er den Menschen vorgaukeln sollte, Finanzexperte zu sein und sie zu hohen Transaktionen verleitete. „Je klarer es wurde, um was es tatsächlich geht, desto schwerer wurde es zu ertragen.“ Er flüchtete sich in übermäßigen Alkohol- und Cannabiskonsum.
Im Oktober 2021 schaffte er schließlich den Ausstieg aus dem Business. Dann kam der Krieg. Vladyslav O. wollte daraufhin zurück nach Deutschland, doch die ukrainischen Behörden ließen ihn die Grenze nicht überqueren. Er fand Unterschlupf bei einem ehemaligen Kollegen aus dem Call Center im Westen der Ukraine – bis dieser eines Tages vom Call Center kontaktiert wurde, das nun auch in Mukatschewe ein Büro eröffnet hatte.
Zeugenvernehmung der Geschädigten bei Folgeterminen
Der Angeklagte konnte nicht zurück nach Charkiw, er konnte auch nicht zurück nach Deutschland, er hatte keine Arbeit – also entschloss er sich, dieses Angebot anzunehmen. Dort beging er die angeklagten Taten. Anfang Juli 2022 fand er schließlich einen Weg, um aus der Ukraine nach Deutschland auszureisen. Seine kriminelle Vergangenheit ließ er vermeintlich zurück – bis Anfang dieses Jahr.
Vor seinem Urteilsspruch wird das Gericht weitere Zeugen hören. Derzeit sind vier Folgetermine geplant. Durch seine Kooperation dürfte der Angeklagte auf strafmindernde Umstände hoffen können. Für seine Vergangenheit wird er trotzdem geradestehen müssen.