Um die Folgen des Amoklaufs von Winnenden wird immer noch vor Gericht gestritten Foto: dpa

Das Tauziehen um die zivilrechtlichen Ansprüche nach dem Amoklauf von Winnenden und Wendlingen nimmt kein Ende. Die Unfallkasse Baden-Württemberg (UKB) fordert rund 750 000 Euro Schadenersatz. Der Anwalt der Eltern des Todesschützen hat einen Vergleichsvorschlag des Landgerichts Stuttgart am Mittwoch abgelehnt.

Stuttgart - Das Tauziehen um die zivilrechtlichen Ansprüche nach dem Amoklauf von Winnenden und Wendlingen nimmt kein Ende. Die Unfallkasse Baden-Württemberg (UKB) fordert von den Eltern des Amokschützen Tim K. rund 750 000 Euro Schadenersatz unter anderem für Heilbehandlungen der verletzten Opfer. Klaus Machanek, Anwalt des Ehepaars K., hat einen neuerlichen Vergleichsvorschlag des Landgerichts Stuttgart am Mittwoch abgelehnt.

Am 11. März 2009 hatte der 17-jährige Tim K. ganz Deutschland in einen Schockzustand versetzt. Der Schüler hatte eine im Schlafzimmerschrank seiner Eltern unverschlossene Pistole an sich genommen und in seiner ehemaligen Schule in Winnenden und dann in Wendlingen 15 Menschen erschossen. 15 Menschen verletzte er schwer. Anschließend erschoss sich der junge Mann.

Nachdem sein Vater, ein passionierter Sportschütze, im Februar 2013 vom Landgericht wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden war, wurde zivilrechtlich gestritten. Die Versicherung des Vaters schüttete zwei Millionen Euro an die Angehörigen und Verletzten aus. Auch die Stadt Winnenden, die die Kosten für den Umbau der Albertville-Realschule in Millionenhöhe in Rechnung stellte, stimmte im Dezember 2014 schließlich einem Vergleich zu und gab sich mit 400 000 Euro zufrieden.

Die Unfallkasse jedoch lehnte den Vergleich ab. Sie sollte lediglich 50 000 Euro erhalten. „Nicht akzeptabel“, so UKB-Anwalt Frank Grafe. Die UKB argumentiert, auch die Mutter des Todesschützen sei haftbar, weil auch sie ihre Aufsichtspflicht verletzt habe. Ute K. habe von der ungesicherten Waffe im Kleiderschrank gewusst. Das bestreitet die Mutter Tims jedoch.

Also trifft man sich erneut vor der 15. Zivilkammer des Landgerichts. Die Kammer hatte das Erscheinen der Eltern Tims angeordnet. Allein, sie erschienen am Mittwoch nicht. Es heißt, das Ehepaar habe mehrere Drohungen per Email bekommen.

Von Seiten des Ehepaars K. wird bestritten, dass Ute K. in Haftung genommen werden kann. Weil sie nicht aussagt, hört das Gericht einen Kripo-Beamten, der Ute K. am Tag des Amoklaufs befragt hatte. Die Frau sei total aufgelöst gewesen und habe immer wieder geweint, so der Polizist.

Man habe gemerkt, dass Ute K. gegen Waffen eingestellt sei. „Diese Scheißwaffen“, habe sie gesagt. Sie habe auch gesagt, es gebe eine Waffe im Kleiderschrank, die ihr Mann dort aus Angst vor Einbrechern deponiert habe. Der Anwalt des Paars trägt vor, Ute K. habe dies erst am Tag des Amoklaufs von ihrem Mann erfahren.

Hat sie nun ihre Aufsichtspflicht verletzt? Ist sie wie ihr Mann haftbar zu machen? Davon geht UKB-Anwalt Grafe aus. Ihm fällt es schwer, den UKB-Gremien einen Vergleichsvorschlag zu unterbreiten. „Wir wissen nichts über die wirtschaftlichen Verhältnisse der Frau“, so Grafe. Man laufe da gegen eine Wand. Jörg K. lässt wissen, er sei mittellos. Seine Verpackungsfirma wurde erst auf seinen Vater, dann auf eine englische Gesellschaft übertragen, die Firmengrundstücke auf seine Frau. Sie ist Geschäftsführerin der Firma. Es gebe wohl auch mehrere Eigentumswohnungen, so Grafe.

Das Gericht macht einen weiteren Vorschlag. Die Eheleute K. zahlen 130 000 Euro an die UKB, gestreckt auf zehn Jahre. Sowohl Jörg wie auch Ute K. gelten als Schuldner. Zuviel, so Anwalt Machanek. Es gebe eine Obergrenze, die er allerdings nicht beziffert. Bis Mitte April müssen die Parteien nun kundtun, ob sie dem Vergleich zustimmen. Falls nicht, wird das Gericht Ende Mai verkünden, wie es weitergeht. Dann könnte ein Prozessmarathon folgen.