An der Gaisburger Brücke im Stuttgarter Osten wurde im Oktober 2017 der Torso einer Frau geborgen.Foto: 7aktuell/Jens Pusch Foto:  

Im Prozess um den Tod einer Frau, die man ohne Kopf aus dem Neckar geborgen hatte, will der Staatsanwalt, dass der 77-jährige Angeklagte zu zwölf Jahren verurteilt wird. Die Verteidigerin sieht das ganz anders.

Stuttgart - Der Staatsanwalt macht gleich zu Beginn seines Plädoyers klar: „Der Anklagevorwurf hat sich bestätigt, der Angeklagte ist des Totschlags schuldig.“ Das sieht Verteidigerin Margrete Haimayer ganz anders. Sie fordert einen Freispruch.

Im Oktober 2017 hatten Einsatzkräfte erst den Torso, später die Beine und den linken Arm einer Frau bei Hedelfingen und Gaisburg aus dem Neckar geborgen. Das Opfer wurde als eine 72-jährige Frau identifiziert, die in Obertürkheim an der Uhlbacher Straße mit einem Mann zusammenlebte und die im April 2017 mit dem Angeklagten eine Liaison eingegangen war.

Ihr neuer Freund soll sie laut Staatsanwalt am 26. September 2017 in seiner Wohnung in Esslingen-Mettingen getötet, zerstückelt und die Leichenteile in den Neckar geworfen haben. „Das war eine menschenverachtende Entsorgung. Er hat sie weggeworfen wie Müll“, so der Ankläger. Alles spreche gegen den 77-Jährigen. In seiner Wohnung hatten die Ermittler Blut der Frau sichergestellt: auf einem Teppich, in einem Schrank, an einem Trolley, mit der er die Leichenteile transportiert haben soll. Zudem habe sich der Angeklagte erst gut zwei Wochen nach dem Verschwinden seiner „zukünftigen Ehefrau“, wie er das Opfer immer wieder nennt, bei der Vermisstenstelle gemeldet.

Arm und Kopf fehlen bis heute

Seine Erklärung für das Blut in seiner Wohnung, die 72-Jährige habe sich an einem zerbrochenen Sektglas die rechte Hand verletzt, sei unglaubwürdig, so der Staatsanwalt. Niemand aus dem Umfeld der Frau habe eine solche Verletzung wahrgenommen. Auch in der Arztpraxis, in der die Frau arbeitete, habe man nichts bemerkt. An der Leiche konnte man ebenfalls nichts feststellen – der rechte Arm fehlt ebenso wie der Kopf bis heute. Auch habe der Mann bei seiner früheren Partnerin nachgefragt, ob man es nicht noch einmal zusammen versuchen sollte. „Weil er zu diesem Zeitpunkt wusste, dass die 72-Jährige tot war“, so der Ankläger. Er beantragt zwölf Jahre Haft und geht damit über den Antrag seines Kollegen im ersten Prozess um zwei Jahre hinaus. Über den Tathergang kann er nur spekulieren.

Hier hakt Verteidigerin Margrete Haimayer ein. „Es ist nichts so, wie es scheint“, sagt sie. Und sie listet auf: „Wir wissen nicht, was passiert ist. Wir wissen nichts über einen Streit. Wir wissen nicht einmal, ob die Frau am letzten Abend in seiner Wohnung war. Und wir wissen nichts über die Todesursache.“ Es gebe auch keinen Zeugen, der einen alten Mann mit Trolley am Neckar gesehen hat. In dem Haus, in dem ihr Mandant wohnt, gebe es 14 Wohnungen. Keiner der Nachbarn habe einen Streit oder Schreie gehört.

„Mörderpärchen aus Obertürkheim“

„Es gibt auch kein Motiv“, sagt die Verteidigerin. Sie fordert von der 1. Strafkammer des Landgerichts Stuttgart, ihren Mandanten freizusprechen.

Im Verlauf des zweiten Prozesses hatte der 77-Jährige plötzlich von einem mysteriösen Pärchen berichtet, das die 72-Jährige mit dem Tode bedroht habe. Es sei um zwei Beutel voller Geld gegangen. In seinem letzten Wort spricht der Angeklagte von einem „Mörderpärchen aus Obertürkheim“. Er habe seine zukünftige Frau nicht getötet. Man habe heiraten wollen und schon eine größere Wohnung gesucht, so der 77-Jährige.

Das Landgericht muss den sogenannten Neckarleichen-Prozess bereits zum zweiten mal führen. Ende Juni 2018 war der Mann zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt worden – wegen Körperverletzung mit Todesfolge. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft hat der Bundesgerichtshof das Urteil kassiert und den Fall zurückverwiesen. Das Urteil soll am 1. Oktober verkündet werden.