Lebensgefährlich, aber oft zu sehen: Handygebrauch während der Fahrt. Foto: dpa

Ein paar Sekunden Unachtsamkeit einer jungen Autofahrerin sollen einem 47-jährigen Radfahrer das Leben und seinem Sportkameraden die Gesundheit gekostet haben.

Stuttgart/Renningen - „Es war ein super Morgen, die Sonne schien – ein idealer Sonntag für unsere Trainingstour“, sagt der 37 Jahre alte Zeuge vor der 2. Jugendstrafkammer des Landgerichts. 200 Kilometer Schwarzwaldfahrt hatten sich die zwei Radfahrer vorgenommen. Früh morgens waren sie aufgebrochen. Wenig später war der 47-Jährige tot, der 36-Jährige schwer verletzt.

 

Jetzt muss sich eine heute 21 Jahre alte Frau vor dem Landgericht verantworten – wegen fahrlässiger Tötung und Körperverletzung sowie wegen versuchten Mordes durch Unterlassen. Sie hatte die zwei Radler am Morgen des 17. August vorigen Jahres auf der Bundesstraße 295 zwischen Renningen und Weil der Stadt im Kreis Böblingen bei besten Sichtverhältnissen und auf kerzengerader Strecke gerammt und war weitergefahren.

Die Staatsanwältin wirft der Angeklagten vor, sie habe während der Fahrt zwei Whatsapp-Nachrichten verfasst und abgeschickt – eine um 7.43 Uhr und die zweite 30 Sekunden später. Deshalb habe sie die Radfahrer nicht gesehen, deshalb habe sie die zwei Männer von hinten gerammt. Und weil sie trotz massiv beschädigtem Auto weitergefahren sei, um sich ihrer Verantwortung zu entziehen, wirft ihr die Anklägerin versuchten Mord vor.

Angeklagte sagt, sie habe ihr Handy nicht benutzt

Unter Tränen spricht die junge Frau den Angehörigen des Toten ihr Beileid aus: „Ich wollte das nicht.“ Sie habe an jenem Morgen einen Bekannten nach Hause gefahren und sei auf dem Heimweg nach Weil der Stadt gewesen. „Mir ging es gut“, so die Mutter eines vier Monate alten Mädchens.

Sie sei weder müde gewesen, noch habe sie am Abend zuvor Alkohol getrunken, sagt sie. Ja, sie habe Textnachrichten geschrieben. Dies aber an einer Ampel, bei stehendem Auto. Dann sei sie losgefahren. „Ich bin mir sicher, dass ich das Handy auf die Mittelkonsole gelegt habe“, beteuert sie. Dann könne sie sich an nichts mehr erinnern. Es habe „einen Schlag gemacht“, ihr sei schwarz vor Augen geworden. „Ich habe nur noch geschrien und Panik bekommen.“ Sie habe nicht gesehen, was passiert sei.

Warum ist sie nicht ausgestiegen? Immerhin hatte die Windschutzscheibe einen großen Sprung, der Außenspiegel an der Beifahrerseite war abgerissen. „Ich hatte einfach Angst“, sagt die Frau. Sie fuhr davon – mit einem platten Reifen. Ungefähr 3,5 Kilometer weit. Sie rief ihre Schwester an und traf sie nahe der Unfallstelle. Erst dann rief die Schwester die Polizei.

„Ich kann nicht erklären, warum ich die Radfahrer nicht gesehen habe“, sagt die 21-Jährige. Vorsitzende Richterin Sina Rieberg entgegnet: „Wenn man vor sich etwas nicht sieht, hat man die Augen zu oder schaut woanders hin.“ Aufs Handy? Die Staatsanwältin legt nach. Die Angeklagte sage, sie könne sich nicht erinnern. Dass sie ihr Handy nach der Ampel aber nicht mehr in der Hand gehabt habe, wisse sie ganz genau. „Das stört mich“, so die Staatsanwältin.

47-Jähriger reanimiert, dann aber gestorben

Die 21-Jährige hatte die Radfahrer laut Anklage von hinten gerammt. Der 37-Jährige wurde vom Rad geschleudert, ein Lendenwirbel wurde komplett zertrümmert. Sein 47-jähriger Freund landete auf der Motorhaube des Opel Astra und schlug mit dem Hinterkopf auf die Dachkante des Autos auf. Vorbeifahrende Autofahrer alarmierten die Rettungskräfte. Der 47-jährige Physiotherapeut konnte reanimiert werden, starb jedoch kurz darauf. Sein Nachbar und Sportkamerad, einst ein leidenschaftlicher Sportler – Eishockey in der Regionalliga, Skifahren, Radfahren – kann heute nicht einmal mehr joggen. Er hat das Entschuldigungsschreiben der Frau angenommen, aber: „Es verletzt mich, dass damals nicht angehalten wurde.“ Der Prozess wird fortgesetzt.