Ohne Prothesen ist Oscar Pistorius am Ende des Prozesses vor dem Gericht erschienen. Foto: dpa

Im Prozess gegen den einstigen Paralympics-Star Oscar Pistorius sind die Schlussplädoyers gehalten worden. Dabei kam es zu einem spektakulären Auftritt.

Pretoria - Mit einem eindringlichen Schlussplädoyer hat der Anwalt des ehemaligen südafrikanischen Sprintstars Oscar Pistorius um eine milde Strafe für seinen Mandanten gekämpft. Verteidiger Barry Roux ließ am Mittwoch in Pretoria den beidseitig unterschenkelamputierten 29-Jährigen ohne Prothesen vor die Richterin treten. In dem Verfahren geht es um Pistorius’ Strafmaß, nachdem sein Schuldspruch von fahrlässiger Tötung in Mord an seiner Freundin geändert worden war.

Auf Geheiß seines Anwalts nahm Pistorius seine Prothesen ab, und humpelte in kurzer Hose und T-Shirt auf seinen Beinstümpfen bis vor die Richterin Thokozile Masipa und wieder zurück. Die Anstrengung war dem 29-Jährigen deutlich anzusehen, er hielt sich an den Gerichtsbänken fest. „Es ist drei Uhr morgens, es ist dunkel, er ist auf seinen Stümpfen“, schilderte Roux die Situation, in der Pistorius am Valentinstag 2013 zu seiner Waffe gegriffen und seine Freundin Reeva Steenkamp vom Schlafzimmer aus durch die geschlossene Toilettentür erschossen hatte. „Sein Gleichgewicht ist ernsthaft beeinträchtigt und ... er wäre nicht in der Lage, sich zu verteidigen.“

Pistorius hatte wiederholt ausgesagt, er habe einen Einbrecher vermutet und in Panik geschossen. Sein Verteidiger machte nun geltend, sein Mandant habe auch aus Sorge um die vermeintlich noch im Bett liegende Steenkamp geschossen. Im Oktober 2014 war Pistorius in erster Instanz wegen fahrlässiger Tötung zu fünf Jahren Haft verurteilt worden.

Im Dezember des Mordes schuldig gesprochen

Im Dezember vergangenen Jahres kam ein Berufungsgericht aber zu dem Urteil, dass Pistorius nach einem Streit mit Steenkamp mit „krimineller Absicht“ gehandelt habe - und sprach ihn des Mordes schuldig. Um ein neues Strafmaß festzulegen, wurde das derzeitige Verfahren begonnen - ein verkürzter Prozess, in dem beide Seiten Zeugen präsentierten und ihre Argumente darlegten. Roux schilderte Pistorius als einen „gebrochenen Mann“, der für seine Tat bereits schwer bestraft worden sei. „Er hat seine Zukunft verloren“, sagte der Verteidiger. Pistorius habe „körperlich“, sozial und finanziell bezahlt.

Staatsanwalt Gerrie Nel drang in seinem Schlussplädoyer dagegen auf eine strenge Auslegung des Strafrechts, also eine Haftstrafe von mindestens 15 Jahren. Pistorius habe nicht nur einmal geschossen, sondern viermal, hob Nel hervor. Dafür habe er keine akzeptable Begründung geliefert. Vor den Schlussplädoyers hatte als letzte Zeugin eine Cousine Steenkamps ausgesagt. „Alles, was wir wollten, ist die Wahrheit“, sagte Kim Martin. „Aber wir haben sie nicht bekommen, Oscar hat seine Version so oft geändert.“ Martin fügte mit Blick auf den 29-jährigen Ex-Sportstar hinzu, sie habe „nicht das Gefühl, von ihm eine Entschuldigung bekommen zu haben“. Pistorius, der auf der Anklagebank Platz genommen hatte, reagierte sichtlich bewegt auf die Vorwürfe.

Am Dienstag hatte Steenkamps Vater Barry vor Gericht gefordert, Pistorius solle für den Tod seiner Tochter „bezahlen“. Die Entscheidung über das Strafmaß wird voraussichtlich am Freitag bekanntgegeben. Pistorius dürfte seine bereits verbüßte Haft angerechnet werden. Auch Umstände wie seine Behinderung könnten strafmildernd wirken. Nach einem Jahr im Gefängnis hatte Pistorius zuletzt unter Hausarrest gestanden.