Die 5. Große Strafkammer verhandelt über den Fall des Inspekteurs. Foto: LICHTGUT/Max Kovalenko (Symbolbild)

Am Stuttgarter Landgericht beginnt am Freitag der Prozess gegen den Inspekteur der Polizei, der eine Kollegin sexuell genötigt haben soll. Die FDP äußert sich zur Vorgeschichte – und zur Besetzung des Postens.

Am Freitag beginnt in Stuttgart ein Prozess, der nicht nur vom Beschuldigten und der Nebenklägerin mit Spannung erwartet worden sein dürfte. Er wird auch bis in die Spitzen der Landespolitik mit höchster Aufmerksamkeit verfolgt. Denn auf der Anklagebank sitzt ein Mann, dessen Job es eigentlich ist, für die Einhaltung der Gesetze zu sorgen: Ein Polizist. Und nicht irgendeiner, sondern bis zu seiner Suspendierung im November 2021 der ranghöchste Beamte im Land, der Inspekteur der Polizei.

Dem 49-Jährigen wird sexuelle Nötigung einer 34 Jahre alten Beamtin vorgeworfen. Die Frau tritt in dem Verfahren als Nebenklägerin auf. Die Staatsanwaltschaft geht aufgrund ihrer Ermittlungen davon aus, dass die Frau sich nicht widersetzte, weil sie berufliche Nachteile befürchtete.

FDP: „Größter Personalskandal der Landesgeschichte“

Der politische Aspekt, der das Verfahren begleitet, beschäftigt bereits seit dem vergangenen Jahr einen Untersuchungsausschuss. Dort geht es um die Stellenbesetzungspraxis. Der suspendierte Inspekteur Andres R. galt als Wunschkandidat des Innenministers Thomas Strobl (CDU).

Als nun wenige Tage vor dem Prozessbeginn Details der Anklage an die Öffentlichkeit kamen, wurden Rücktrittsforderungen und Kritik am stellvertretenden Ministerpräsidenten Strobl laut. Er verantworte „den größten Personalskandal der Landesgeschichte“, sagt die stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Julia Goll. Sie ist auch entsetzt darüber, im Zuge der Berichterstattung über die Anklage von einem weiteren, im vergangenen Oktober eingestellten Ermittlungsverfahren erfahren zu haben.

Ermittlungen gegen Inspekteur in einem anderen Fall eingestellt

Dabei ging es um das Verbreiten pornografischer Inhalte. Es soll sich um Nacktaufnahmen der unteren Körperhälfte des Beschuldigten handeln. Nach Bekanntwerden der Vorwürfe der jungen Beamtin erhielt die Staatsanwaltschaft anonym vier Fotos, die der Mann an mindestens drei Beamtinnen geschickt haben soll – und das schon lange vor dem Übergriff, der von Freitag an das Gericht beschäftigt. Der Beschuldigte soll angeben haben, dass das Zusenden der Fotos auf Wunsch der Frauen erfolgt sei.

Da diese aufgrund der anonymen Zusendung nicht befragt werden konnten, gab es nur die Darstellung des Polizeiinspekteurs. Daher stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Das mindert jedoch das Entsetzen der FDP-Politikerin Goll nicht: „Dass Strobls Wunschkandidat Andreas R. schon deutlich vor Bekanntwerden der Nötigungsvorwürfe im November 2021 obszön zulasten von Kolleginnen in Erscheinung getreten ist, zerstört das Narrativ vom Aufsteiger ohne Fehl und Tadel. Wäre vor Personalentscheidungen sorgfältig und umfassend geprüft worden, statt dem eigenen Haus informell einen Wunschkandidaten vorzugeben, wäre den Beamtinnen und der Polizei insgesamt einiges erspart geblieben“, so die FDP-Frau.