Bernd Klingler vor der Verhandlung im Amtsgericht Foto: Lg/Verena Ecker

Die Staatsanwaltschaft geht unter anderem davon aus, dass der frühere FDP-Fraktionschef Geld aus der Fraktionskasse für den Kauf eines Luxusautos abgezweigt hat. „Ich habe mir nichts vorzuwerfen“, sagt dagegen Bernd Klingler.

Stuttgart - Zum Auftakt des Prozesses gegen den früheren FDP-Fraktionschef im Stuttgarter Rathaus und heutigen AfD-Stadtrat Bernd Klingler wegen Untreue am Dienstag im Amtsgericht Bad Cannstatt hat der Angeklagte die gegen ihn erhobenen Vorwürfe zurückgewiesen. „Ich habe mir nichts vorzuwerfen“, so Klingler. Zuvor hatte die Staatsanwältin ihm in der Anklage vorgeworfen, dass er in den Jahren 2013 und 2014 zweimal jeweils fünfstellige Geldbeträge vom Fraktionskonto der FDP abgezweigt und für eigene Zwecke verwendet habe. In einem Fall wurden 23 500 Euro für den Druck eines FDP-Werbeflyers für die Kommunalwahl 2014 an eine Klingler persönlich bekannte Werbeagentur überwiesen und flossen am selben Tag auf sein eigenes Geschäftskonto zurück. Laut Anklagesoll Klingler das Geld für den Kauf eines Luxusautos verwendet haben.

Der Angeklagte sagte dagegen, er habe das Geld für den Autokauf von seinen Eltern geschenkt bekommen. Er erklärte den Geldtransfer damit, dass er 50 Prozent des Betrages der Agenturbesitzerin aus der eigenen Tasche vorgestreckt habe, um ihr die Rückkehr in ihr Heimatland Italien zu ermöglichen. Die andere Hälfte des Geldes sei als sogenannte Kickback-Provision an ihn zurücküberwiesen worden. Dies sei in der Werbebranche „durchaus üblich“, so Klingler. Eine solche verdeckte Rückzahlung gilt freilich zumindest als anrüchig.

Einen Betrag in Höhe von 12 500 Euro, den Klingler 2014 in bar aus der Fraktionskasse im Rathaus entnommen hatte, habe er aus Sicherheitsgründen im Tresor seiner eigenen Werbeagentur im Weilimdorf aufbewahrt und damit teilweise Fraktionsrechnungen beglichen. Die Staatsanwaltschaft geht hingegen davon aus, dass der Angeklagte diesen Betrag verwendet hat, um nicht gezahlte Sozialversicherungsbeiträge für eine Mitarbeiterin seiner Werbeagentur zu begleichen. Klingler deutete an, er habe das Geld auch deswegen aus der Kasse genommen, damit die FDP gegenüber der Stadt ärmer dastehe. Er habe verhindern wollen, dass überschüssiges Geld an die Stadt zurückgegeben werden müsse.

Klingler: Loyalität von Fraktionsmitarbeiter mit erfundener Geschichte getestet

Zwei Mitarbeiter der FDP-Fraktion, die Fraktionssekretärin und der ehemalige Fraktionsgeschäftsführer, sagten in ihrer Vernehmung, sie hätten sich gewundert, dass Klingler für den angeblichen Auftrag an die Agentur über Monate keine Rechnungen vorgelegt habe. Zudem habe er als Motiv für die Entnahme der 12 500 Euro aus der Fraktionskasse angegeben, der Zoll wolle bei ihm ausstehende Sozialversicherungsbeiträge eintreiben, dafür benötige er das Geld. Klingler rechtfertigte sich damit, dies sei eine erfundene Geschichte gewesen, um die Mitarbeiter einem „Loyalitätstest“ zu unterziehen.

Weil die FDP bei der Kommunalwahl 2014 von sechs auf vier Sitze abgestürzt war und deswegen weniger Budgetmittel für Personal zur Verfügung gehabt habe, wollte er so herausfinden, wen man als Assistenz behalten solle. Tatsächlich hatte es Wochen zuvor eine Vollstreckungsandrohung des Zolls wegen ausstehender Krankenversicherungsbeiträge gegeben.

Der heutige FDP-Fraktionssprecher Matthias Oechsner sagte als Zeuge aus, es habe nach seiner Kenntnis nie einen Fraktionsbeschluss über einen Auftrag für den Druck und die Verteilung von 80 000 FDP-Flyern gegeben, er habe auch nie welche gesehen. Auch Richterin Karin Langner ließ Zweifel an Klinglers Version erkennen, zumal Peter Glinder, Leiter der Antikorruptionsstelle beim städtischen Rechnungsprüfungsamt, darlegte, dass das Verwenden von Fraktionsmitteln in dieser Höhe für den Wahlkampf unzulässig sei. Hinsichtlich der 12 500 Euro, die Klingler im Tresor geparkt hatte, erklärte der Prüfer, nach dem kommunalen Kassenrecht hätte Klingler allenfalls die Entnahme einer geringfügigen Summe zugestanden.

Ex-SÖS-Stadträtin Kotelmann entlastet ihren Chef

Der ebenfalls geladene Gesellschafter einer Cannstatter Druckerei gab an, er hätte für einen vergleichbaren Druckauftrag 2000 bis 3000 Euro verlangt – im vorliegenden Fall wurden dagegen rund 18 000 Euro Druckkosten geltend gemacht. Der Verdacht, dass ein Scheingeschäft vorliegt, wird auch dadurch genährt, dass die mittlerweile in Italien weilende Inhaberin der angeblichen Werbeagentur laut Gewerberegister eigentlich eine Wohnungsvermittlung betreibt. Ob die für den nächsten Prozesstag als Zeugin geladene Frau vor Gericht erscheint, ist noch offen. Dagegen entlastete deren Cousine, die ehemalige SÖS-Stadträtin Maria-Lina Kotelmann, den Angeklagten. Kotelmann, die samt Tochter seit 2012 in Klinglers Werbeagentur beschäftigt ist, sagte, sie habe die Kartons mit den FDP-Flyern im Weilimdorfer Büro gesehen. Die Schwester der Agenturinhaberin will unentgeltlich gemeinsam mit ihrem Mann und Klingler bei der Verteilung der Faltblätter geholfen haben.

Kotelmann und Klingler galten bis zur Kommunalwahl 2014 trotz diametral entgegengesetzter politischer Ausrichtung ihrer Fraktionen als eng befreundet. Der Prozess wird am 7. Juni fortgesetzt.