Ekkehard Wenger übt scharfe Kritik an den Gutachtern Foto: dpa

Gutachten, Gegengutachten, Ermittlungen der Staatsanwaltschaft, dazu ein Untersuchungsausschuss: Der EnBW-Deal erhitzt zunehmend die Gemüter. Nun gibt’s neuen Zündstoff.

Stuttgart - Der Mann ist in der Szene kein Unbekannter. Man nennt Ekkehard Wenger auch den „Hauptversammlungsschreck“ oder „Anwalt der Kleinaktionäre“. Die Verantwortlichen des fünf Milliarden Euro teuren EnBW-Deals um Ex-Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) hätten es sich nicht träumen lassen, dass Wenger – Professor für Betriebswirtschaft, Bank- und Kreditwirtschaft an der Uni Würzburg – eines Tages ihnen zur Seite steht. Aber genau das ist nun passiert. Denn Wenger sieht für den am 20. Januar beginnenden Prozess von Grün-Rot gegen den französischen Energiekonzern EdF vor dem Schiedsgericht der Internationalen Handelskammer in Zürich schwarz. „Wenn das Schiedsgericht in Zürich nicht durchweg mit Vollpfosten besetzt ist, wird die Landesregierung mit ihrer Klage ein krachendes Desaster erleben“, sagte Wenger am Freitag unserer Zeitung.

Der Pessimismus des Wirtschaftswissenschaftlers hat mehrere Gründe. Es dürfte zum einen das Gutachten seines Schweizer Kollegen Henner Schierenbeck sein. Der hatte dieser Woche in einer neuen Expertise erklärt, der seinerzeit von Mappus bezahlte Kaufpreis von 41,50 Euro je Aktie sei „angemessen“ gewesen. Was freilich noch schwerer wiegt: Schierenbeck hatte dem Münchner Finanzwissenschaftler Wolfgang Ballwieser vorgehalten, der habe sich in seinem Gutachten zum EnBW-Deal für die Staatsanwaltschaft Stuttgart um eine Milliarde Euro verrechnet. Ballwieser war in seiner Analyse zum Ergebnis gekommen, der EnBW-Aktienwert habe zum Zeitpunkt des Mappus-Deals im Dezember 2010 nur 34,58 Euro betragen, Mappus habe also 780 Millionen Euro zu viel bezahlt. Genau diese Summe möchte Grün-Rot von der EdF vor Gericht zurückhaben.

Staatsanwaltschaft hält Vorwürfe für ehrverletzend

Was auffällt: Ballwieser kam jetzt in seinem Gutachten (und in Kenntnis interner EnBW-Daten) zum nahezu selben Aktienwert wie sein Weggefährte Martin Jonas, Wirtschaftsprüfer der Kanzlei Warth, Klein, Grant Thornton. Jonas hatte im Juli 2012 für Grün-Rot den EnBW-Deal (ohne interne EnBW-Daten) untersucht. Das Resultat: 34,09 Euro je Aktie. Daraufhin hatte Grün-Rot Jonas mit der Klage beauftragt. Wenger: „Ich verstehe nicht, wie man Herrn Jonas den Auftrag erteilen konnte, ein Gutachten abzuliefern, das auf Ratespielen von Börsenanalysten statt auf internem Datenmaterial von der EnBW beruht. Einen Kläger, der mit so einem Gutachten daherkommt, obwohl er sich die internen Unternehmensdaten verschaffen kann, würde ich nach Hause schicken.“

Ballwieser und Jonas? Sie kennen sich seit vielen Jahren, sind Mitglieder im Fachausschuss Unternehmensbewertung beim Institut der deutschen Wirtschaftsprüfer und bestreiten gemeinsam Veranstaltungen. „Es ist in der Szene allgemein bekannt, dass Herr Ballwieser und Herr Jonas einer Truppe angehören, die nach Regeln und Methoden arbeitet, aus denen Niedrigpreisgutachten herauskommen. Das hat der Fall EnBW eindrucksvoll bewiesen“, sagt Wenger.

Die Staatsanwaltschaft Stuttgart betonte freilich am Freitag, es bestünden „keine Zweifel an der Unvoreingenommenheit“ des Sachverständigen Ballwieser. Man habe, ehe der Auftrag an ihn ging, auch „mehrere andere Namen“ als Gutachter geprüft. Spekulationen „über eine gezielte Auswahl des Sachverständigen zum Nachteil der Angeschuldigten“ seien „haltlos und ehrverletzend“. Wenger bleibt dennoch skeptisch: „Herr Ballwieser war von der Staatsanwaltschaft klar angewiesen, ein Gutachten in dubio pro reo, also im Zweifel für den Angeklagten, zu erstellen. Man kann sich nur schwer des Eindrucks erwehren, dass er unter einer Denkblockade leidet, wenn er sich nicht einmal in einem solchen Fall von seiner sonstigen Arbeitsweise lösen kann.“