Vorletzter Tag im Prozess gegen den "Engel mit den Eisaugen": Amanda Knox selbst ist nicht vor Gericht anwesend. (Archivfoto) Foto: dpa

Mehr als sechs Jahre nach dem Mord an Meredith Kercher elektrisiert der Fall noch immer die Öffentlichkeit. Zum dritten Mal wurden die Geschehnisse nun vor Gericht verhandelt. Gespannt wartet Italien auf das Urteil - der Ausgang des Prozesses scheint völlig offen.

Mehr als sechs Jahre nach dem Mord an Meredith Kercher elektrisiert der Fall noch immer die Öffentlichkeit. Zum dritten Mal wurden die Geschehnisse nun vor Gericht verhandelt. Gespannt wartet Italien auf das Urteil - der Ausgang des Prozesses scheint völlig offen.

Florenz - Es ist der dritte Mordprozess gegen Amanda Knox und Raffaele Sollecito. Zehn Tage lang hat das Berufungsgericht in Florenz bereits verhandelt, am Montag unterstrichen Anklage und Verteidigung noch ein letztes Mal ihre Positionen. Am 30. Januar will das Gericht sein Urteil sprechen - doch es scheint der Wahrheit um die Geschehnisse in der kalten Mordnacht im November 2007 auch in diesem Verfahren kaum näher gekommen. Was passierte tatsächlich in der Studenten-WG in Perugia? Ermordeten die US-Amerikanerin Knox und Sollecito tatsächlich die britische Studentin Meredith Kercher?

Staatsanwalt Alessandro Crini ist überzeugt, dass es so war. Er forderte in seinem Plädoyer für die 26-Jährige Knox eine Haftstrafe von 30 Jahren, der drei Jahre ältere Sollecito soll demnach für 26 Jahre hinter Gitter. Beide seien in der Tatnacht betrunken gewesen und hätten unter Drogeneinfluss gestanden, so die Überzeugung von Crini. Er forderte für sie darüber hinaus Vorsichtsmaßnahmen wie ein Ausreiseverbot oder Untersuchungshaft im Falle eines Schuldspruchs. Die damals 21 Jahre alte Austauschstudentin Kercher war am 2. November 2007 von Messerstichen übersät, halbnackt und mit durchschnittener Kehle in ihrem WG-Zimmer gefunden worden.

"Ich habe nicht getötet, ich habe nicht vergewaltigt"

Im Mittelpunkt des Medieninteresses stand auch während des neuen Prozesses die US-Amerikanerin Amanda Knox, obwohl die junge Frau selbst nicht vor Gericht erschien. Mit einer E-Mail und zahlreichen Interviews nutzte sie jedoch mehrmals die Chance, ihre Sicht der Dinge in der Öffentlichkeit zu schildern. „Ich habe nicht getötet, ich habe nicht vergewaltigt“, schrieb sie. Sie sei aus Angst vor einer Verurteilung nicht nach Italien zurückgekehrt, so Knox, die seit ihrer Freilassung 2011 wieder in ihrer Heimat lebt. Ob die USA sie im Falle eines Schuldspruchs ausliefern würden, ist unklar.

Während ihr Platz auf der Anklagebank leer blieb, nahm ihr mit angeklagter Ex-Freund Raffaele Sollecito zumindest zeitweise an der Verhandlung teil. Er wandte sich in einem emotionalen Appell unter Tränen an das Gericht und bat, die Fehler der vorherigen Instanzen zu korrigieren. „Sie haben mich als kalten und erbarmungslosen Mörder hingestellt, ich bin nichts von alledem“, betonte er.

Wenn die Richter am 30. Januar ihr Urteil verkünden, wollen auch die Geschwister des Opfers Meredith Kercher im Gerichtssaal sitzen. Die Familie ist von der Schuld der beiden Angeklagten überzeugt - ihr Anwalt schloss sich der Forderung der Staatsanwaltschaft an. Auch das Verhalten von Knox kritisierten ihre Anwälte mehrmals. „Sie soll sich wie eine Angeklagte verhalten und aufhören, Erklärungen abzugeben“, sagte Anwalt Francesco Maresca nach Knox' jüngstem Interview.

Während die eine Seite also überzeugt von der Schuld der beiden Angeklagten ist, betonen diese immer wieder ihre Unschuld. Auch die Verurteilung für Knox und Sollecito in erster Instanz 2009, ihr Freispruch zwei Jahre später und dessen Aufhebung durch das höchste italienische Gericht zeigen, wie komplex der Fall ist. Der Ausgang des Verfahrens scheint daher völlig offen, danach ist eine erneute Berufung wahrscheinlich. Wer Meredith wirklich tötete, könnte auch trotz eines Justizmarathons über mehr als sechs Jahre und vier Entscheidungen italienischer Gerichte ungeklärt bleiben.