Ein 26-Jähriger steht wegen zwei Überfällen in Esslingen-Zell vor Gericht. Foto: dpa/Britta Pedersen

Am zweiten Verhandlungstag im Prozess wegen schwerer räuberischer Erpressung hat der 26-jährige Angeklagte ausführlich beschrieben, warum er im Juli 2024 einen Blumenladen in Esslingen-Zell zwei Mal überfallen hatte.

Zwei Mal innerhalb weniger Tage hat ein maskierter Mann im Juli 2024 ein Blumengeschäft in Esslingen überfallen. Mit einer Waffe bedrohte er die Mitarbeiterinnen. Am 11. Juli erbeutete er Geld und konnte damit unerkannt flüchten. Den zweiten Raubüberfall fünf Tage später, der anfangs nach gleichem Muster ablief, vereitelte ein Nachbar. Der Gemüsehändler war auf das Geschehen kurz nach Ladenöffnung aufmerksam geworden und überwältigte den Mann, bis er von der Polizei festgenommen wurde. Der 26-jährige Esslinger muss sich nun vor dem Stuttgarter Landgericht unter anderem wegen schwerer räuberischer Erpressung verantworten.

 

Am zweiten Prozesstag schilderte der Angeklagte vor der siebten Strafkammer des Landgerichts, wie und warum er die Taten begangen hatte. Als Grund gab er seine Medikamentensucht an. „Ich bin morgens aufgewacht und wusste, dass ich keine Tabletten mehr habe“, sagte er, er habe große Angst vor Entzugserscheinungen gehabt. Wie schlimm sich das anfühlt, habe er bei einem Klinikaufenthalt in Kirchheim erfahren, diesen und diverse Selbstversuche zur Entziehung habe er damals nach wenigen Tagen abgebrochen. „Ich musste an Geld kommen“, berichtete der Angeklagte, der keine Ausbildung hat, von Gelegenheitsjobs und zuletzt von Bürgergeld lebte. „Ich hatte nur die Tabletten im Kopf“, sagte er vor Gericht.

Der Blumenladen lag in der Nähe

Beim ersten Mal habe er den Blumenladen im Stadtteil Zell, der wenige Hundert Meter von seiner Unterkunft entfernt ist, zufällig ausgewählt. „Ich wusste vorher nicht, in welchen Laden ich gehen werde“, sagte der Angeklagte. Er habe sich mit Boxershorts maskiert, die Mitarbeiterin mit seiner Softair-Pistole bedroht und sie dazu bewegt, ihm Scheine aus der Kasse zu übergeben.

Waffe wirkte täuschend echt

Die Waffe habe sehr echt gewirkt, heißt es in der Anklageschrift. Geladen war sie nicht. Ob der Angeklagte sie gezielt für die beiden Überfälle angeschafft hatte, war im Prozess noch kein Thema. Er sei nach dem Überfall nach Hause gerannt, führte der Angeklagte aus, habe sich umgezogen und sei mit der S-Bahn zu einem Dealer in Filderstadt gefahren. Mit den erbeuteten 200 Euro habe er Oxycodon, ein starkes Schmerzmittel, das schnell abhängig macht, und Alprazolam, ein Medikament gegen Angstzustände, gekauft und sofort etwas eingeworfen.

Turan Hüner kam Carmen und Renate Lang beim Überfall zur Hilfe. Foto: Bulgrin

„Es hat beim ersten Mal geklappt, es wird wieder klappen“, sagte der 26-Jährige am Dienstag auf die Frage des Vorsitzenden Richters, warum er am 16. Juli abermals den Laden in der Bachstraße überfallen hatte. Obwohl er seinen Konsum reduziert, Tabletten geteilt habe, sei sein Vorrat nach wenigen Tagen aufgebraucht gewesen.

Gefängnis als Chance

Es sei gerade so viel gewesen, um in der Nacht vor der zweiten Tat schlafen zu können, zusätzlich habe er mehrere Joints geraucht. Ob er auch Kokain konsumiert habe, daran könne er sich nicht mehr erinnern. Den Polizeiprotokollen zufolge soll der 26-Jährige erleichtert über seine Festnahme gewesen sein. „Ich will ins Gefängnis“, habe er demnach gesagt. Offenbar hat sich der Mann in der Untersuchungshaft tatsächlich stabilisiert. „Ich bin clean“, sagte der Angeklagte, er arbeite in der Gefängnisküche und habe zum Vorarbeiter aufsteigen können. Er bereue seine Taten, die er ohne Drogen nicht begangen hätte. In einem Brief aus der Untersuchungshaft habe er sich bei den Betroffenen in dem Blumenladen entschuldigt.

„Ich war von der ersten Tablette an süchtig“

Der Weg in die Drogensucht habe 2017 mit seiner ersten Haft begonnen, die er im offenen Vollzug verbracht hatte. Was der Grund für diese Strafe war, blieb im Prozess offen. Fast täglich habe er Cannabis konsumiert. Verfangen hätten ihn aber Opiate, die ihm ein Bekannter anbot. „Ich war von der ersten Tablette an süchtig“, sagte er. Aufgewachsen ist der 26-Jährige in schwierigen Verhältnissen im Kreis Esslingen. Als Kind lebte er bei den betagten Urgroßeltern, als seine Eltern sich trennten. „Es war ein ständiges Hin und Her“, blickte er auf sein Leben zurück, mal wohnte er bei der Mutter, mal beim Vater und viele Jahre in Obdachlosenunterkünften. Der Prozess wird fortgesetzt.