Diesen Ausgang wird der Angeklagte frühestens in vier Jahren wieder benutzen können. Foto: dpa

Wegen eines Messerstichs am Tag des Faschingsumzugs in Gärtringen muss ein 22-Jähriger vier Jahre ins Gefängnis.

Gärtringen - Der Angriff wirkte wie eine Geste der Versöhnung. „Es sah aus, als wollte er ihn umarmen.“ So erzählten es diejenigen, die direkt daneben standen. Nur einer bemerkte die wahre Absicht. Nicht einmal das Opfer sah das Messer in der Rechten des Angreifers, das einen Sekundenbruchteil später in seinen Körper eindrang, dreieinhalb Zentimeter tief, gleich neben der Milz.

Für diesen Messerstich muss der 22 Jahre alte Angreifer vier Jahre lang ins Gefängnis. So urteilte das Landgericht Stuttgart. Ob die beiden Verteidiger Revision beantragen werden, ist noch nicht entschieden. Das Gericht unter seinem Vorsitzenden Richter Jörg Geiger ist überzeugt, dass der 22-Jährige sein zur Tatzeit noch minderjähriges Opfer mit voller Absicht schwer verletzte. Ob der 17 Jahre alte Jugendliche sterben würde, sei dem Angeklagten gleichgültig gewesen, sagte Geiger in seiner Urteilsbegründung.

Ein Scherz führte zum Streit

So entwickelten sich die Geschehnisse jenes 5. Februar, dem Tag des Faschingsumzugs in Gärtringen, gemäß gerichtlicher Feststellung: Der Angeklagte war mit zwei Freundinnen zum Narrentreffen gefahren. Sie stießen zufällig auf eine Gruppe Jugendlicher. Ein Scherz führte zum Streit. „Bist Du unter dem Auspuff gelegen?“, fragte der Angeklagte einen der Gruppe, der schwarz geschminkt war. Die Antwort darauf endete mit dem Wort Hurensohn. Was der 22-Jährige mit einer Ohrfeige erwiderte. Das spätere Opfer schlug an seines Freundes statt zurück. Das Handgemenge endete im Tumult.

Zeugen hielten den Angeklagten fest, die Besonneren der Jugendlichen ihre Freunde zurück, die Frauen versuchten zu schlichten. „Was zunächst auch gelang“, sagte Geiger. Die Gruppe ging davon, in Richtung des Gärtringer Kriegerdenkmals. Sie wollten zu einer Faschingsparty. Die unbeteiligten Schlichter glaubten, der Streit sei beendet und ließen den Angeklagten los. Übersteigerter Stolz führte dann zum versuchten Totschlag. „Das Selbstverständnis des Angeklagten basiert darauf, dass andere ihn kennen und respektieren müssen“, sagte Geiger. „Er wollte sich rächen.“

Das Opfer ahnte nicht, schwer verletzt zu sein

Der Mann rannte los und zog ein verbotenes Springmesser aus seiner Bauchtasche. Er überholte die ersten der Gruppe, rannte auf den 17-Jährigen zu, der ihn geschlagen hatte, packte ihn am Genick und stach ihm mit halbkreisförmigem Hieb das Messer in die linke Flanke. Der 17-Jährige spürte etwas, ahnte aber nicht, dass er schwer verletzt worden war. Später ging er mit seinem Freunden zu einem Streifenwagen. Der rief den Rettungsdienst. Wieder griffen Unbeteiligte ein. Die Zeugen haben den Angeklagten „daran gehindert, weiter auf das Opfer einzudringen“, sagte Geiger.

Womit sich offenbarte, dass die Richter dem Angeklagten kein Wort seiner Sicht auf das Geschehen glauben. Er sei von der Gruppe angegriffen worden, zweimal, habe das Messer nur gezogen um zu drohen. Im Gerangel sei die Klinge zufällig in sein Opfer gedrungen. „Ich wollte niemand verletzen.“ So hatte der Angeklagte es zu Prozessbeginn gesagt. Auch dass er wegen Trunkenheit nicht wusste, was er tat, halten die Richter für ausgeschlossen. Hätte der Mann die Mengen harten Alkohols getrunken, die er behauptete, wäre die Tat unmöglich gewesen. 4,6 Promille Alkoholgehalt im Blut hatte eine Gutachterin aus seinen Angaben errechnet. Womit medizinisch die Grenze zur Lebensgefahr erreicht, die zum Koma überschritten gewesen wäre.

Nach der Tat versteckte der 22-Jährige das Messer auf einer Baustelle. Er rief Freunde an, damit sie ihn abholen. „Ich habe einen Jungen abgestochen, er hat es verdient“, erzählte er. Drei Wochen dauerte es, bis die Polizei ihn fasste. Er versteckte sich in der Wohnung einer der Frauen, mit denen er nach Gärtringen gefahren war.

„Ich will ein neues Leben beginnen, nie mehr Straftaten begehen“, hatte er vor der Urteilsverkündung beteuert. „Ich hoffe, dass Sie die Kurve kriegen“, sagte Geiger, „damit weder wir noch unsere Kollegen Sie hier jemals wiedersehen“. Die Vergangenheit deutet eher darauf hin, dass die Hoffnung unerfüllt bleibt. Der 22-Jährige war schon wegen Körperverletzung vorbestraft. Am Tag der Tat war er zwei Monate lang wieder in Freiheit, auf Bewährung.